piwik no script img

tamtürktür . . . der wahre türke von BJÖRN BLASCHKE

Bekanntlich bietet jede Region dieser Welt ihren Bewohnern mindestens ein Rauschmittel. Mutter Natur weiß schließlich, was sie ihren Menschkindern schuldet: regelmäßige Reisen in andere – wie auch immer geartete – Welten. Und überall gibt es aus den unterschiedlichsten Gründen Propaganda gegen diese Rauschmitteltrips: Mal verpönt sie der moderne Staat, weil sie gesundheitsschädigend seien oder der Kriminalität Vorschub leisteten; mal verbieten die Exegeten heiliger Bücher sie als „nicht gottgefällig“. Dabei haben diese religiösen Oberschlauwölfe, die selbst lediglich müde Vorsteher von Geistesverheizdeckenreisebüros sind, nur Angst davor, dass ihre Schäflein bei den „Trips in andere Welten“ auch einen anderen Gott finden könnten. Zum Beispiel einen Gott, der selbst gern mal einen über den Durst scharluggelt, dann aus völlig unerfindlichen Gründen am Stuttgarter Bahnhof mit Filmriss wieder zu sich kommt, um zusammen mit einigen Kumpels enthemmt „I was born under a wandering star“ anzustimmen. So ein Gott wäre prima; kein Wunder, dass so viele Menschen ihn suchen, im Himmel wie also auf Erden.

Den Türken geht es kaum anders als anderen Menschen. Sie haben ein paar ganz passable Rauschmittel, und der Staat verbietet ihnen auch, sie zu konsumieren. Die Ausnahme: Alkohol. Der gehöre, so der Gesetzgeber kurz interpretiert, in den Bereich der Religion, die wiederum in der laizistischen Türkei reine Privatsache ist. Das bedeutet, dass all jene Türken, denen qua Religion der Alkoholkonsum nicht verboten ist, ohnehin keine Probleme haben; die Christen ebenso wenig wie zum Beispiel die Alewiten.

Und die Türken, die dem Islam anhängen? Sie haben das Problem, das alle Menschen haben, denen Entscheidungen nicht abgenommen werden: Sie müssen eigenverantwortlich darüber befinden, ob und wenn, was, wann, wie oft sie schlucken. Entgegen landläufigen Meinungen ist der Koran, den Prophet Mohammed als Gottes Wort offenbarte, nämlich in Sachen Alkohol weit weniger verbieterisch als vielmehr widersprüchlich: Hier heißt es, dass „das Übel“ des Weines größer als „sein Nutzen“ (Sure 2, „Die Kuh“, Vers 219) – und er ohnehin „ein Gräuel, ein Werk Satans“ (Sure 5, „Der Tisch“, Vers 90) sei. Dort heißt es, dass es Menschen gibt, die aus Trauben „berauschenden Trank“ herstellen, was „ein Zeichen für Leute“ sei, „die vom Verstand Gebrauch machen“. (Sure 16, „Die Biene“, Vers 67) Und in einem Gleichnis wird den Rechtschaffenen vom Paradies verheißen, dass zumindest im Jenseits „Ströme von Wein, köstlich für die Trinkenden“ zu finden seien. (Sure 47, „Mohammed“, Vers 15)

Hat sich Gott also, als er zu Mohammed sprach, missverständlich ausgedrückt? Hatte sein Prophet Ohrensausen? Oder waren beide ein wenig . . . – na, Sie wissen schon?! Der Koran ist in Sachen Alkohol jedenfalls eine große Auslegeware. Doch die muslimischen Türken kommen damit ganz prima zurecht. Wie und mit welchen Alkoholika, das erfahren sie demnächst an dieser Stelle, wenn es heißt: Tamtürk dir einen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen