szene: Zusammen den Mond anschauen
Es könnte so wie früher sein, ist es aber nicht. Auch wenn wir uns verabredet haben, um uns den Mondaufgang zusammen anzuschauen, fehlt mir die Romantik. Vielleicht, weil ich früher in sie verliebt war und jetzt schon lange nicht mehr. Über Facebook hatte ich erfahren, dass der Mond größer als sonst zu sehen sein würde (ein Supersupermond sozusagen) und ihr einen Screenshot davon geschickt.
Immer noch, wenn es um den Mond geht, denke ich an sie. Das haben wir immer gern zusammen gemacht – den Mond anschauen, sei es am Meer, auf den Kanarischen Inseln zum Beispiel, auf einer Dachterrasse in Sizilien oder eben bei uns in Neukölln.
Wir stehen also in der Dunkelheit des Tempelhofer Felds und trinken Bier, das ich mitgebracht habe, weil sie es sich gewünscht hatte, obwohl mir eher nach Tee war. Ihr ist kalt; sie springt deshalb ein bisschen herum und reibt sich die Hände. Ich behaupte, dass der Mond sich heute an einem anderen Ort als früher befindet, nämlich direkt über der Herrfurthstraße, aber sie meint, er sei schon immer dort gewesen. In meinem Kopf schauten wir damals aufs Feld und hatten ihn nicht im Rücken. Wahrscheinlich hat sie recht – und es ist nur die Sehnsucht nach den Gefühlen, die nicht mehr da sind, die meine Erinnerung an die Szene romantischer erscheinen lässt, als sie eigentlich war.
Aber mit der Tatsache, dass der Mond an diesem Abend besonders beeindruckend ist, sind wir einverstanden. Riesig und strahlend hängt er da, umgeben von dünnen Wolken, die wie gemalte Linien in alle Richtungen verlaufen. Früher blieben wir in solchen Momenten still, gemeinsam und doch jede für sich. Jetzt reden wir über alles Mögliche, durcheinander, während wir uns auf den Rückweg machen. Es ist nicht mehr wie früher – es ist anders schön, stelle ich dann fest.
Luciana Ferrando
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