szene: Hurrarop
Wir sind bei einer Kollegin von Johanna zum Abgrillen eingeladen. Petra wohnt mit ihrem Mann in Französisch-Buchholz am Stadtrand. Die Frauen sitzen in Wolldecken eingewickelt auf Gartenstühlen und unterhalten sich über Ursula von der Leyen und Lady Gaga. Jorge und ich stehen am Grill. Wir kennen uns nicht. Wir sind zwei Männer. Ich versuche es mit Fußball. Nichts! Das Wetter. Ist schnell auserzählt. Und die aktuelle Erkältungswelle – betrifft ihn nicht. Jorge ist wortkarg und ich kein Smalltalk-Meister. Wir nehmen einen Schluck von unserem Bier. Ich deute auf das sauber aufgeschichtete Holz an der Hauswand.
„Eine Menge Holz.“ Jorge nickt. „Geht einmal ganz ums Haus herum“, stelle ich fest. Jorge nickt wieder. „Wo kommt das Holz denn her?“ „Ich mache Spaziergänge. Es gibt eine Menge Holz, das niemand will. Das sonst vermodern würde.“ Er redet. Endlich. „Aber das trägt man doch nicht unter dem Arm nach Hause“, sage ich. „Nein. Wenn ich lohnendes Holz gefunden habe, komme ich mit dem Auto und der Kettensäge wieder. Und dann ernte ich.“ Er sagt tatsächlich Ernten. „Braucht man dafür eine Genehmigung?“ „Ich gehe diskret vor.“ „Diskret?“ Er geht in den Carport, zieht etwas aus einer Kiste und kommt wieder zu mir. Es sieht aus wie ein sehr heller Igel. Gibt es sehr helle Igel? „Was ist das?“, frage ich. „Eine blonde Perücke.“ Jorge hat eine Glatze. „Damit sehe ich aus wie ein norwegischer Holzfäller. Die perfekte Tarnung.“ „Norwegische Holzfäller sind zwei Meter groß“, gebe ich zu bedenken. Ich will ihn nicht kränken, aber er reicht mir gerade mal bis zur Schulter. „Die breiten Schultern“, sagt Jorge. „Die breiten norwegischen Schultern?“ Jorge nickt. „So gesehen. Klar, die hast du.“ „Genau.“ Ich hole mein Handy aus der Tasche und google Prost auf Norwegisch. „Hurrarop“, sage ich. Wir klacken unsere Biere unten am Flaschenboden gegeneinander und ich exe meine Flasche mit einem Schluck aus.
Daniel Klaus
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