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sydney-syndromKönigsdisziplinen

Vor acht Jahren gewann eine deutsche Schwimmerin bei den Olympischen Spielen in Barcelona, gut vierzehnjährig, einige Medaillen, aber keine aus Gold. Seither nimmt die Nation Anteil am Schicksal dieser Sportlerin, die Franziska van Almsick heißt, zwar aus dem Osten kommt, sich aber so gar nicht ostisch-mürrisch gab, sondern frech und laut. Das war immer für eine Geschichte gut.

Nun ist die Liebe am Ende, „Franzi van Speck“ schrieb gestern das Boulevardblatt B.Z., Obertitel: „Das traurige Ende einer großen Karriere“. Ein Foto ist zu sehen, auf dem der ehemalige Goldfisch aussieht wie eine muskelbepackte Variante der Meerjungfrau von Kopenhagen, die Häme dazu ist gratis: „Als Molch holt man kein Gold.“

Und Bild belehrt: „20 Millionen auf dem Konto – aber Karriere endet in Tränen“, denn „Gold kann man nicht kaufen“. Das ist das Gesetz dieser Dramamedien, dass aus einer gehätschelten Franzi ein gescheiterter Lurch wird: Erst bauen wir uns HeldInnen auf – und schreiben sie dann runter.

Auch Dieter Baumann gehören die Schlagzeilen – wobei endlich die meisten Medien auch SportlerInnen zu Wort kommen lassen, die in der DDR groß geworden sind. Und deren Kommentare lauten fast unisono: Die Sperre ist gerecht, denn was für Katrin Krabbe galt, muss auch für den Schwaben gelten.

Lauter Gescheiterte, kaum Edelmetall, dafür viele vierte Plätze, harte Arbeit für deutsche Medien, uns Olympia schmackhaft zu machen, wenn es denn so gar keine HeldInnen zu beschreiben gibt. Gestern dann doch ein Lichtblick, im Radsport, der seit vier Jahren einzig durch Jan Ullrich (auch einer mit öffentlich erörterten Gewichtsproblemen) wahrgenommen wird: Der Bahnvierer siegt mit neuem Weltrekord. Beim ZDF hieß das dann gleich: „Gold in der Königsdisziplin.“ So ist das bei uns: Alles, was Gold wird, ist eine Königsdisziplin. Also hoffen wir heute auf die Wildwasserkanuten. JAN FEDDERSEN

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