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Archiv-Artikel

strübel & passig Alliierte Verwirrungen

Wenn ich mit Frau Passig um die Häuser ziehe, was bei Gott nicht wesentlich häufiger vorkommt als ein Golfkrieg, dann kann es durchaus passieren, dass wir am gleichen Abend Unterschiedliches wahrnehmen. Womöglich starre ich die ganze Zeit gebannt auf die Schuhe der Frau am Nachbartisch. Und Passig auf den in Flecktarn gehüllten Arsch des Kellners. Aber kluge Kinder, die wir sind, vergleichen wir anderntags, sobald wir wieder sprechen können, unsere Notizen. Und vermitteln so auch non-embedded Freunden bei der Zweitverwertung das Gefühl, dass wir beide vom gleichen Abend berichten.

 Wenn die Briten mit den Amis um die Häuser ziehen, läuft das anders: Während die einen behaupten, in Villarriba werde noch geschrubbt, verkünden die anderen, dort werde schon gefeiert. Wird man diesbezüglich investigativ tätig, stellt sich alsbald heraus, dass sie ohnehin Villabajo meinten, sich ansonsten aber noch immer nicht einig sind, was dort wirklich vor sich geht.

 Eine Zumutung. Ich meine – wenn man mich schon Tag und Nacht mit Propaganda beschießt, dann möchte ich wenigstens, dass diese professionell aufgezogen ist. So ist das ja auch in der Werbung: Alles an Kommunikation sollte auf das Konto der einen Marke einzahlen.

 Aber da geht es ja schon los: Warum kämpfen die Briten (www.mod.uk) in „Operation Telic“ und die USA (www.centcom.mil) in „Operation Iraqui Freedom“? Ich sage doch auch nicht: „Gestern war ich mit Passig im Prassnik“, während sie erzählt, wir seien in der Philharmonie gewesen!

 Gut, man weiß, dass die Darpa (www.darpa.mil) das Netz nicht explizit dafür gebaut hat. Aber könnte man sich nicht trotzdem unter den alliierten Kriegsparteien gelegentlich per Mail abstimmen, ehe man eine Pressekonferenz gibt? Gibt's denn auf den Feld-Laptops keinen billigen Instant-Messenger, mit dem man mal eben unverfänglich die Lage in der PR-Abteilung der anderen sondieren kann? Hin und wieder eine SMS von General Franks an Tony Blair – das scheint mir nicht zu viel verlangt. Dass man zum Herunterkochen auch komplexerer Botschaften auf knappe Eindeutigkeit in der Lage ist, haben die USA doch schon vor dem Krieg bewiesen, und das nicht nur in ihren Flugblättern (www.centcom.mil/galleries/leaflets/showleaflets.asp). Da bleibt einem nur die Flucht nach vorn: sich vollends in die Vielstimmigkeit zu stürzen, immer mehr Medien nach immer weniger verwertbarer Information zu scannen – und dabei froh zu sein, dass einem dieses Schicksal im Privatleben erspart bleibt. Denn ganz ehrlich – ich wüsste nicht, wie lange mein Interesse an Frau Passigs Alltag sich aufrechterhalten ließe, wenn ich mir ihr tägliches Update so mühsam zusammenkratzen müsste. Schon morgens überkommt mich bleierne Müdigkeit, wenn ich mich von „Salam Pax“ (www.dear-raed.blogspot.com) über Ticker und Magazine via www.whatreallyhappened.com bis hin zu den offiziellen Statements unter www.pentagon.gov hangele und dabei vergeblich versuche, mir – freihändig und ohne anständiges Holz – meine eigene Wahrheit zu schnitzen.

 Nein, Frau Passigs Informationspolitik ist da wirklich überzeugender: eine Anlaufstelle, eine Version. Bereitwillig und offen gibt sie Auskunft, nie gab es den geringsten Anlass für Zweifel an ihrer Berichterstattung, stets war sie synchron mit den jeweils in ihre Operationen involvierten Alliierten. Vielleicht sollten Mr Blair und Mr Bush Frau Passig einfach mal konsultieren – ich bin mir sicher, sie hilft gerne weiter. Dann klappt's auch mit dem Nachbarn. Oder doch zumindest mit der Kommunikation der Willigen.

IRA STRÜBEL

feldpost@copysquad.com