strübel & passig: Gegendarstellung und Beichte
Heute muss ich mal ein paar Sachen klarstellen. Es ist nämlich so, dass ich in ein paar Tagen anfange, auf die vierzig zuzugehen. Da möchte man doch einige Sachen geklärt wissen, sein Bündel geschnürt, sein Seelgerät gerichtet haben. Hier nun in Demut und Reue meine Liste.
Mehrfach und an den verschiedensten Orten (Lesermail, Berliner Kneipen, mein Bett) wurde in den vergangenen Monaten behauptet, Strübel und Passig seien herzlos und würden jene verächtlich und von oben herab behandeln, die sich nicht zu den Power-Usern zählen dürfen. Das ist unwahr. Wahr ist, dass wir insgesamt über mehr Gigahertz verfügen, als man essen kann, besonders wenn man, wie wir, schlechte Zähne hat. Und Leuten, die nichts vom Internet verstehen, kommen wir allerhöchstens schräg von der Seite. Für alles andere sind wir gar nicht lang genug.
Wahr ist weiterhin, dass wir uns viel im Internet Relay Chat aufhalten. Unwahr ist, dass wir deshalb ausschließlich in Kategorien denken, die sich auf „kicken“ und „oppen“ reimen. Es mag den Tatsachen entsprechen, dass der eine oder andere den Satz „Read the fucking manual“ von uns gehört hat. An den Haaren herbeigezogen ist hingegen die Vermutung, es handle sich hierbei um einen Verweis auf ein von uns selbst verfasstes Sexhandbuch. Es stimmt schon, dass wir in alkoholisiertem Zustand hin und wieder „Wir lagen vor Altavista“ anstimmen. Unwahr ist, dass man daraus schließen könnte, wir befürworteten die Softwarepiraterie.
Es trifft zu, dass ich gelegentlich mein Frühstück via Internet bestelle. Die Behauptung, ich ernährte mich ausschließlich von Gnutella, ist dagegen eine infame Lüge, verbreitet von jenen, die mir Böses wollen. Durchaus wahr ist, dass ich in brotlosen Zeiten in Erwägung gezogen habe, aus Rohlingen Sandwichtoasts herzustellen. Dass ich hierzu Scheibletten in den CD-Brenner gepackt haben soll, ist allerdings schlichtweg erfunden.
Und wenn wir gerade dabei sind: Ein paar persönliche Richtigstellungen hätte ich auch noch. Schließlich will ich Tabula rasa, um reinen Desktops ins neue Lebensjahr zu schreiten. Also, so schwer es mir fällt: Mama, du vermutest richtig, wenn du glaubst, dass ich das Modem in deinem Rechner abgeknipst habe, damit du nicht lesen kannst, was ich im Internet so verzapfe.
Auch muss ich denen zerknirscht Recht geben, die berichten, dass ich auf Onkel Pauls Geburtstagsfeier stolz verkündete, ich könne mit meinem Netzshirt Informationen direkt bei Google abrufen. Gänzlich haltlos aber ist die Behauptung, ich sei zu diesem Zeitpunkt auch nur annähernd nüchtern gewesen.
Ach, wo ich schon mal so in Fahrt bin, erledige ich auch gleich noch das Geschäftliche: Liebe taz-Internetredaktion, es hilft ja alles nichts, es drängt mich, zu gestehen. Ja, es stimmt schon, dass ich diese Woche nicht viel Zeit hatte, mich um das Verfassen meiner Internet-Kolumne zu kümmern. Eine modemlose Frechheit und Verleumdung allerdings wäre es, zu verbreiten, ich hätte mir deshalb überhaupt keine Mühe gegeben. Wahr ist, dass, wer solches behauptet, mit Post von meinem Anwalt rechnen muss. Unwahr ist, so glaube ich zumindest, dass dieser seinen Titel gebraucht bei eBay Mexiko ersteigert hat.
So, das wär's, zumindest für dieses Jahr. Jetzt, das ist wahr, ist mir wohler.
IRA STRÜBEL
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