streik im handel : Die McJobber mucken auf
Im neuen Jim-Jarmusch-Film sagt der Nachbar des Helden: „Ich hab’ keine Zeit, ich habe drei Jobs und fünf Kinder.“ Leider erfährt der Zuschauer nicht, in welchen Branchen der US-Amerikaner arbeitet – in Berlin könnten es einige sein: Wachschutz, Bau- oder Gastgewerbe, Einzelhandel. Ihnen gemeinsam: geringe Löhne und miese Arbeitsbedingungen. Dagegen haben gestern Beschäftigte im Einzelhandel einige Stunden lang gestreikt. Ein ermutigendes Signal.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Denn im Einzelhandel geht es nur auf den ersten Blick um eine ganz normale Tarifrunde: Die Gewerkschaften fordern ein paar Prozent mehr Lohn, die Unternehmer sind dagegen, und am Ende einigt man sich irgendwo in der Mitte. Die Branche ist durch die zunehmende Discounterisierung geprägt, die zu immer härteren Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, ein Großteil sind Frauen in Teilzeit oder prekären Arbeitsverhältnissen, führt. Frauen, die vom Lohn ihrer Arbeit kaum leben können, geschweige denn ihre Familien.
Dagegen mucken nun, zaghaft zwar, immer mehr McJobber auf. Das zeigen die Warnstreiks und die öffentlichen Aktionen zur Unterstützung von Betriebsratsgründungen bei Lidl. Dabei geht es nicht nur um ein paar Euro mehr oder eine unbezahlte Überstunde weniger: Es geht um die Würde der Arbeitenden.
Die Gewerkschaften werden das kommende Weihnachtsgeschäft nutzen, um ihre Position zu stärken. Das ist verständlich, können sie doch nur dann durch Streiks Druck aufbauen, wenn es den Unternehmern ökonomisch wehtut. Der eine oder andere Kunde könnte also demnächst vor einer verschlossenen Ladentür stehen – und sich ärgern. Er sollte bedenken: Möchte er einmal drei Jobs machen müssen, die zum Leben kaum reichen?
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