strafplanet erde: sauce hollandesas von DIETRICH ZUR NEDDEN:
Einen Moment bitte, das Wörterbuch der Gemeinplätze wird umgehend aktualisiert und ergänzt unter dem Stichwort Spargel: „Also ich esse ihn am liebsten ganz einfach mit zerlassener Butter. Mmmm!“ So, das war’s schon. Für meinen Geschmack hat es die Sauce Hollandaise nämlich derzeit unverdientermaßen schwer. „Hollandesas“ dagegen heißen in der spanischen Umgangssprache flachbrüstige Frauen, behauptete jedenfalls eine Bekannte, die aus Barcelona stammt, und als ich das neulich meinem Gagschreiber erzählte, dem ständig die Kündigung droht, konterte der sofort mit einem der Vorlage entsprechend flachen Scherz: „Kein Holz vor der Hütte, aber an den Füßen, wa?“ Ich gab ihm ein Bier aus, grübelte ein bisschen weiter: Aus der Ferne kann der Spanier die Oberweite der Niederländerinnen doch gar nicht beurteilen. Mein Lieferant wartete auf den nächsten Auftrag, da sein Durst nicht gelöscht schien. Aber ich behielt den Rest für mich: Die Iberer meinen bestimmt etwas anderes, zielen mit ihrer Metapher auf die horizontale Gestalt des Landes ab: Holland an sich hat topografisch gesehen Körbchengröße XXS, ist so platt wie ... Comprendre?
Überprüft haben wir das neulich auf Schiermonnikoog, der östlichsten der westfriesischen Inseln. Das Eiland gehörte einige Jahrzehnte lang bis 1945 zu Deutschland, genauer: dem Grafengeschlecht derer zu Bernstorff-Wehringen persönlich. Inwieweit das eine Rolle spielte, dass die Alliierten erst zwei Wochen nach der Kapitulation vom 8. Mai die Insel offiziell befreiten, weiß ich nicht. Vielleicht dachten sie auch, so schnell wandern die paar Dünen uns nicht weg, das können wir später erledigen
Schiermonnikoog bedeutet „Insel der grauen Mönche“. In diesem Jahr gemahnte daran meistens die Farbe des verhängten Himmels, wohin die Zisterzienser-Mönche längst entschwunden. Keine Mönche mehr, dafür jede Menge musterhaft zusammengesetzte, paritätisch besetzte, ausgewogen komponierte Kleinfamilien. Vater, Mutter, Sohn, Tochter. Eine Folge der pränatalen Implantationsdiagnostik, die in den Niederlanden erlaubt ist? Künstliche Befruchtung als Wahlfach? Andere Embryonenselektion? Der Verdacht drängt sich auf, dass viele Fortpflanzungswillige in Holland es ähnlich sehen wie jener englische Familienvater, der in einer TV-Dokumentation sagte: „Wenn ich mir die Farbe meines Autos aussuchen kann, warum sollen wir dann nicht auch selbst entscheiden können, ob wir einen Sohn oder eine Tochter bekommen?“ Gegen diese Art Logik muss man erst mal andiskutieren!
„Ist doch gar nicht wahr“, warf meine Honorarkraft ein, als wir gleich neben dem Fietsverhuur beim Schiermonnikooger Vishandel saßen, um abwechselnd ausgezeichnete Hollandse Nieuwe und ausgezeichnete Lekkerbekjes zu spachteln. „Ich hab hier schon Familien mit drei Töchtern gesehen und was nicht noch alles.“ Er merkte erst später, als es ans Bezahlen ging, dass er sich mit dieser Bemerkung, die mir eine, wie ich fand, akzeptable Pointe vermasselte, keinen Gefallen getan hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen