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Archiv-Artikel

strafplanet erde: osterhasenbastelei von DIETRICH ZUR NEDDEN

„Ostern ist nicht regressiv“, predigt der evangelische Überlandpfarrer Jürgen Fliege unter dem Titel „Jürgen Fliege erzählt die Geheimnisse der Ostergeschichte“ auf seiner CD „Jürgen Fliege liest die Bibel: Die Ostergeschichte“ und fährt fort: „Ostern ist progressiv.“ Nach eigener Aussage ist Jürgen Fliege ein „Gesundbeter, ein Exorzist, ein Schamane, ein Heimatforscher der Seele“, und so nahm ich ihn beim Wort, um den Teufel mit dem Beelzebub zu verjagen, um Progressivität und mein Leben ausnahmsweise und für einige Stunden miteinander in Einklang zu bringen: Ich folgte der Einladung zum Themennachmittag „Osterbasteln“ im Kindergarten.

Erwartet hatte ich, der einzige Mann unter den Anwesenden zu sein, alle anderen Kandidaten wären gewiss bei der Arbeit, bei der Agentur für Arbeit, im Baumarkt oder im Hobbykeller. Weit gefehlt: Die Hälfte der Kinder brachte ihren Erzeuger oder zumindest einen maskulinen Erziehungsberechtigten mit. Es war eine Demonstration, ein Dementi gegen den Verdacht, am traditionellen Rollenmodell habe sich nichts geändert. Sämtlich trugen wir schwarz gerahmte Brillen und waren auch sonst einigermaßen à la mode gekleidet. Nur einer, der weckte mein Misstrauen, als er noch während des Absingens des Liedes „Fips, der kleine Osterhase“ ein Oktavheft hervornestelte und begann, Notizen zu machen. Gehörte er etwa zu diesen Autoren, die Vater-Kind-Kolumnen schreiben? Marktstrategisch betrachtet wäre es ein bisschen spät, sich in der Richtung zu positionieren, aber was ging’s mich an?

Nach dem Verzehr eines Tässchen Kaffees und eines Stücks Gebäcks nahm man Platz auf den liliputanen Stühlen an den liliputanen Tischen, darauf ordentlich sortiert das Modell des Werkstücks, das zu produzieren war, sowie Schablonen und anderes, teils vorgefertigtes Material. Schere, Klebstoff, Karton und Buntpapier sowie das für alle Zeiten bedeutungsvollste und unkaputtbarste Utensil jeglicher Bastelei: Pappröhren von Klopapierrollen. Ohne diese Ausrüstung ist eine vorschriftsmäßige Sozialisation ja gar nicht denkbar.

All das war vorbereitet von Freiwilligen, die auch die Arbeitsschritte betreuten. Beispielhafte „Public Private Partnership“, die niemals auf den Wirtschaftsseiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Erwähnung finden würde, aber dem Anschein nach – der mit dem Stift machte sich schon wieder Notizen – womöglich in irgendeiner Glosse.

Es galt, einen Osterhasen herzustellen, auszuschmücken und farblich zu gestalten, dessen unterer Teil in Höhe der Taille nach vorne knickte, um einem Eierbecher in Form einer quer halbierten Pappröhre Halt zu geben. Wir Erwachsenen legten los, warfen nur in Momenten der Unsicherheit, des Nicht-weiter-Wissens ein Auge auf den Muster-Osterhasen, den kaum jemand würde toppen können. Die Kinder flüchteten ins Blaue, in die prachtvolle Frühlingsmilde draußen und kehrten erst zurück, als sie auf der Rückseite des Endprodukts ihr Namenszeichen malen sollten.

Mir hat’s gefallen. Aber Genaueres wird unser Chronist mitteilen, der jetzt sein Notizbuch zuklappte. Ich bin gespannt, aber nicht neugierig.