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strafplanet erde: die deutsche mutter ist der letzte mensch

von DIETRICH ZUR NEDDEN

Spät, aber vielleicht nicht zu spät erreicht uns von zig Zeitungsseiten ein Nachrichtenmix, der bis heute unsortiert ist: Die deutsche Mutter geht mütterlicherseits einen Sonderweg, der ihr, der deutschen Mutter, von Martin Luther vorgezeichnet wurde. Um des Reimes willen?

Gewiss ist nur, dass die deutsche Mutter diese Gratwanderung eines Sonderwegs nicht alleine geht. Diesen Sonderweg von der frei programmierbaren Stammzelle aus ihrem mikro-sozialen Kontext direkt in massive, gelegentlich cellulite Problemzonen geht die deutsche Mutter mit allen anderen deutschen Müttern – auch mit der deutschen Mutter der Vergangenheit und der der Zukunft. Trotz solidargemeinschaftlicher Bemühungen trägt die deutsche Mutter ihr Mutterkreuz allein, das nicht von schlechten Eltern ist, denn ihre Erwerbskarriere wie ihre Rentenbiografie sind nachhaltig beeinträchtigt. Der deutschen Mutter ist in Gestalt ihrer 1,4 Kinder nicht nur die Geschäftsgrundlage des Generationenvertrags anvertraut, nein, „sie ist mit ihrem Fürsorgepotenzial auch der letzte Garant einer humanen Gesellschaft“, sagt die Verfasssungsrechtlerin Barbara Kirchhof, Projektmanagerin für Chancengleichheit in der Berliner Zentrale der Deutschland AG.

Nur allzu leicht vergisst die Is’-was?-Dreistigkeit der Info-Broker-Entertainment-Elite die bestandssichernde Bedeutung der Kindererziehung, welche die deutsche Mutter leistet, zumal auf die Gefahren, sich beim Ehegattensplitting eine Fleischwunde oder Verbrennungen dritten Grades zuzuziehen, bis dato nicht ausreichend hingewiesen wird. Oft hat die deutsche Mutter, wenn sie auf ihrem Sonderweg ins Straucheln kommt, unter Schadenfreude zu leiden; Schadenfreude, welche die deutsche Mutter immer matter werden lässt. Aber erst wenn die letzte deutsche Mutter gefällt, der letzte Tropfen Muttermilch vergiftet und das letzte Fischstäbchen gefangen ist, werdet ihr herausfinden, dass auch die nächste Generation der Deutschen nicht vom Storch gebracht wird.

Wen wundert in dieser bizarren, ja heiklen Situation die Skepsis der deutschen Mutter gegenüber der Kinderkrippe und das schlechte Gewissen, wenn sie ihr Kind dort abgibt. Eine deutsche Mutter, die ihr Kind dort abgibt, ist keine deutsche Mutter mehr und schon längst keine Affenmutter, sondern eine Rabenmutter. Denn die deutsche Mutter, man kann es nicht oft genug sagen, ist quasi natürlicherseits wenn nicht der bessere Mensch, so auf jeden Fall ein guter Mensch. Die deutsche Mutter hat – und hier passt der Begriff endlich mal – das Gutmenschentum geradewegs erfunden, sie ist das Sinnbild, die Inkarnation des Gutmenschentums.

Ein persönliches Wort zum Schluss: Nur Zyniker werfen der deutschen Mutter vor, dass sie nur kauft, was aus kontrolliert biologischem Anbau kommt, und dass sie durch Rucksack und geschnittene Äpfel in Tupperdosen bekundet, Besseres zu tun zu haben, als sich um marktorientierte Dinge wie Schönheit und Stil zu kümmern. Ich weiß, zumindest jetzt, wovon ich rede.

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