stockholm-syndrom 4 : Türkei: 12 Punkte?
Die Proben in der Globe-Arena zu Stockholm gehen heute Abend zu Ende. Die Delegationsleiter der 24 Länder wirken erschöpft. Sie müssen in Gremien beieinander sitzen und Regeln prüfen.
Die Regeln des Grand Prix Eurovision sind vor zwei Jahren nach den Wünschen der Musikindustrie modernisiert worden. Unstrittig ist, dass die Sprache, in der gesungen wird, freigestellt ist. So werden drei Viertel der Länder ihr Lied in Englisch vortragen lassen, um international eher Gehör zu finden. Eine andere neue Bestimmung ist indes wieder fraglich: die der Abstimmung per TED. Auf Druck des NDR, des ORF und der BBC wurden die Jurys als undemokratisch abgeschafft. Stattdessen sollen die Zuschauer per Telefon selbst entscheiden.
Allein: Österreich will die Jurys wiederhaben. Weil nämlich Deutschland zuletzt dreimal der Türkei die Höchstpunktzahl gegeben hat. 1998 und 1999 landete die Türkei auf einem der letzten Plätze; ohne den Zuspruch aus dem größten Einwandererland für Türken wären deren Lieder allerletzte geworden. Nicht nach musikalischer Qualität, so die Unterstellung, werde telefoniert, sondern im Sinne ethnischer Herkunft – dass also nicht Hoyerswerda oder Luckenwalde sich an die Strippe hängen, sondern die Turkodeutschen aus Kreuzberg und Altona.
Jürgen Meier-Beer vom NDR, dem die Voten im Grunde egal sind („Hauptsache Quote“), glaubt nun, dass die pure TED-Lösung keine Zukunft hat, wenn am Sonnabend die türkische Sängerin wieder aus Deutschland das volle Maß erhält. Aber eine Jury, der es primär darum gehe, der Türkei die Punkte zu versagen, werde es auch nicht geben.
Dass die Intervention aus Wien etwas mit der Haiderisierung der österreichischen Weltanschauung zu tun hat, bestritt ein ORF-Funktionär gestern vehement: „Wir haben schwarze Sängerinnen, die sind doch der beste Beweis, dass wir keine Fremden hassen.“ – Fremde? Die drei Rounder-Girls sind schwarzhäutig und Österreicherinnen. JAF
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