steffen grimberg : Der lakonische Zyniker
Claus Hinrich Casdorff,erster Redaktionsleitervon „Monitor“, ist tot. Ein Nachruf
Es war 1972, als sich im deutschen Fernsehen ein gewisser Franz Josef Strauß in Rage redete und die beiden Herren gegenüber minutenlang als „miese Verlierer“ von der SPD beschimpfte. Nicht nur die Länge, auch die konfrontative Atmosphäre dieses „Kreuzfeuers“ ist seit der Christianisierung des deutschen Fernsehens heute schlicht undenkbar.
„Überfallfragen“ nannten die beiden „Monitor“-Gesichter Claus Hinrich Casdorff und Rudolf Rohlinger ihre Strategie, Politiker aus der Reserve zu locken. Dazu kritische, investigative oder doch zumindest hartnäckig nachfragende Beiträge zu den Missständen und Grundübeln der Bonner Republik, seit 1965, anfangs noch in Schwarzweiß.
Sich mit der Politik gemein zu machen, wäre dem mit Unterbrechungen bis 1981 als Redaktionsleiter amtierenden lakonischen Zyniker Casdorff, der selbst FDP-Mitglied war, nie in den Sinn gekommen. Er, der 1947 beim damaligen NWDR in Hamburg erstmals auf Sendung ging, setzte voll auf die angelsächsische Schule des Journalismus, wonach der Reporter stets Feind, aber niemals Freund der politischen Machthaber sein darf. Pflichtgemäß trauerte das heutige Polittalker-Lager im vergangenen Frühjahr zum 40. Jubiläum von „Monitor“, dieser verloren gegangenen televisionären „Streitkultur“, hinterher.
Nur einmal, als WDR-Chefredakteur, machte Casdorff selbst Politik und zog kurz vor seiner Pensionierung 1990 den harten Kurs der Anstalt gegen die Grünen durch, die sich ihre Teilnahme an einer TV-Politikerrunde vor Gericht erstreiten mussten.
„Monitor“ unter Sonia Mikich ist heute ein anderes Magazin als das, das Casdorff zunächst an Gerd Ruge und dann an den eher pastoralen Pulloverträger Claus Bednarz abgab. Denn die investigative Recherche hat im Fernsehen derzeit wenig Konjunktur. Jahrelang überließ man das Geschäft immer mehr den großen Zeitungen – die nun, dank Verleger-Missmanagement und Werbekrise, selbst auf dem Rückzug sind. Zum 40. Geburtstag von „Monitor“ hatte Hans Leyendecker an die Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Sender appelliert, diese in der Presse wegbrechenden Kapazitäten wettzumachen – ganz im Sinne Casdorffs, der am Freitag im Alter von 78 Jahren gestorben ist.