piwik no script img

Archiv-Artikel

steffen grimberg Das Ende des Medienkanzlers

Bundeskanzler Gerhard Schröder boykottiert ab sofort die „Bild“-Zeitung. Und Kai Dieckmann äußert sich dazu in der „taz“

„Der Bundeskanzler selbst hat seine Schlüsse daraus gezogen, aus der Art und Weise, wie er und seine Politik dargestellt wird, nämlich, dass es mit der Bild-Zeitung keine Interviews mehr geben wird.“ So wird das heute Abend Regierungssprecher Béla Anda höchstpersönlich im ARD-Magazin „Monitor“ verkünden. Und das ist die endgültige Bankrotterklärung des Medienkanzlers.

Bild, BamS, Glotze“, darauf komme es an, hatte Gerhard Schröder selbst mal von sich gegeben – und schien ob dieser bahnbrechenden Erkenntnis gar ein bisschen stolz zu sein. Ganz anders als sein Vorgänger Helmut Kohl übte sich der Kanzler in der freundschaftlichen Umarmung diverser JournalistInnen. Es sei fast unmöglich, als Chefredakteur nicht mit Schröder per du zu sein, lästerte Ex-Bild am Sonntag-Chefredakteur Michael Spreng.

Und jetzt das: Die Regierung mopst sich wie ein Potentat alten Stils über die Berichterstattung von Springers Bild: „Die Art und Weise, wie hier der Politik der Bundesregierung begegnet wird, ist eine Mischung aus Häme, aus Hetze, aus Verächtlichmachung der Akteure, garniert mit Halbwahrheiten“, läutet Anda sein „Wir sind Opfer einer Kampagne“-Glöckchen weiter, es gäbe „nicht den Hauch einer Chance auf eine faire und adäquate Berichterstattung, weder über die Akteure selbst noch über den Reformprozess“.

Klar, in Wahrheit ist alles schon beinahe wieder Gold, nur die bösen Medien verhindern, dass das auch wirklich beim Volk ankommt. Hallo – wer hat denn da die Bodenhaftung verloren? Dass mit politischer Macht ein gewisser Realitätsverlust einhergeht – geschenkt. Dass Bild natürlich auch Politik macht – dito. Nur für solche Differenzierung ist es nun ohnehin zu spät, die Medien werden sich geschlossen hinter Bild, BamS und Glotze stellen und darüber lachen, dass sich die Bundesregierung „vorbehält“, Bild nicht mehr auf den Reisen des Kanzlers zu dulden. Es sei „eine offene Frage, ob man da wird mitreisen können“, erklärt Anda – übrigens selbst ein Ex-Bild-Mann.

Für Bild fallen so mal wieder Ostern und Weihnachten auf einen Tag: „Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die handwerklichen Fähigkeiten dieser Regierung“, sagt denn auch Bild-Chef Kai Dieckmann. „Das selbst eingestandene Vermittlungsproblem wird mit Informationsverweigerung bekämpft – mehr fällt ihnen nicht ein.“

Denn glaubt die SPD tatsächlich, hiermit in der Öffentlichkeit auch nur einen einzigen Blumentopf zu gewinnen? Oder wenigstens intern die zerstrittenen Genossen zu einen? Die ganze Sache ist so durchsichtig, dass man schon staunt: Ja, diese Bundesregierung hatte Medienkompetenz – dann hatte sie ein Kommunikationsproblem. Jetzt regiert offenbar nackte Verzweiflung. Wie hatte doch Hans-Ulrich Jörges schon vor zwei Wochen im Stern geschrieben: „Dead Gerd Walking“.