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standbild Der Thriller ihres Menschseins

„Aus gutem Haus“ (Mo., 18.55 Uhr, ARD)

Abends, halb sieben Uhr, in deutschen Landen. Wenn die tägliche Stunde des vorabendlichen Familiensegens geschlagen hat, lässt sich leicht überprüfen, wie das Fernsehen die deutsche Mutti am liebsten sieht. Trotz reichlichem Nachwuchs soll sie noch gut im Strumpf sitzen. Und dabei natürlich handfest, unauffällig und wacker sein.

So schickt die mediale Fortsetzung erbaulich-altbackener Pucki-Romane vor der „Tagesschau“ Geschöpfe ins Rennen, die sich Statistikpupser solange aus Mittelschichtigem zusammengerührt haben, bis Gestalten mit Windkanalwerten in Serie gehen, bei denen jeder Skibob Neidpickel kriegen würde.

Das neuste Konstrukt heißt Marlene (Janette Rauch) und feiert Einstand und Vierzigsten zugleich in der Eröffnungsfolge der neuen ARD-Vorabendserie „Aus gutem Haus“. Marlene malt und bastelt gern. Deswegen ist sie Bühnenbildnerin geworden. Marlene hat drei Kinder von drei verschiedenen Männern. Denn das ist heute ja so üblich. Wenn Marlene nicht gerade mit dem italienischen und daher dauerspitzem Nachbarn Alberto „Rigoletto“ hört, kauft sie wohl „Fruchtzwerge“ oder stimmt sich tapfer mit einer Freundin auf die Entbehrungen der Menopause ein. Manchmal arbeitet sie auch. Sogar eine ganze Nacht lang. Dann denken ihre spießigen Kinder gleich, Mutti hätte einen Typen.

„Dabei bin ich nicht halb so unmoralisch, wie ich gerne sein möchte“, kommentiert die Mutter den Thriller ihres Menschseins. Dann pustet sie in den Badeschaum, weil der auch Muttis lasziv macht. Wenn auch nur solange, bis ihre schnarchige Brut angewackelt kommt und sie mit einem „Ma?“ in Windeseile zur Waltons-Mutter vergreisen lässt.

Statt die späte Ankunft allein erziehender Ernährerinnen als zeitgemäßen Familienentwurf zu feiern, entscheidet sich die Serie in den nächsten Folgen für schnöde Rekonstruktionarbeiten des biologischen Whodunit. Jedem Kind soll eine richtige Herkunft, ein richtiger Vater zugedacht werden. Und so wird am Ende von Marlene wohl doch nur die Summe ihrer Einzelteile übrig bleiben. Nach Kind und Samenspender eingeschweißt. Wie charakterloser Käse. BIRGIT GLOMBITZA

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