standbild: Die Seife ist alle
Der Tanzpalast – Solo für Felix (Mo., 20.15 Uhr, Arte)
Doku-Soaps haben im deutschen Fernsehen ein Bindestrich-Problem: Entweder betonen die Macher das Dokumentarische und ignorieren die Soap – für diese Variante sind vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten zuständig und legen so Zeugnis ab von der erschreckenden Unfähigkeit, über sich selbst zu lachen.
Oder es gibt nur noch Seife, ohne dass auch nur in Ansätzen tieferer Sinn verströmt würde – die Sat.1-„Fahrschule“ war ein Beispiel von vielen. Interessanterweise ist ein bi-nationaler Kulturkanal der Doku-Soap-Pionier im deutschen Fernsehen: Arte machte beim Oktoberfest 1998 ernst („Der wahre Kir Royal“) und verfolgte rund um das „Käfer“-Zelt Irrungen und Wirrungen auf der Wies’n.
Seit gestern läuft nun bis Freitag täglich „Der Tanzpalast“, ein Blick vor und hinter die Kulissen der Erfolgsrevue „Elements“ im Berliner Friedrichstadtpalast.
Und wieder ist’s viel Doku und wenig Soap: Wir erleben Felix, der im knappen Höschen mit feschem Träger den Apoll tanzen darf und dafür übt und geschminkt und vom Trainer (Verzeihung: Ballettmeister) getadelt wird.
Aber der Zugang ist Doku pur, die Soap müssen wir uns selbst dazu denken. Wo sind die Alltagsszenen der KünstlerInnen, ihre Aufregung, Konflikte, Eifersüchteleien . . .
Wo sind die parallelen Handlungsstränge, die eine Ahnung vom konstruktiven Chaos der Bühnenshow vermitteln würden? Weitestgehend Fehlanzeige: Felix’ Aufregung gibt’s als Interview direkt in die Kamera, die Präsenz des Arte-Teams lähmt, und nirgendwo geht was schief.
Das Ganze gleicht viel zu oft einer normalen Theater-Aufzeichnung, statt uns aus der Kulisse in die wahre Bühnenwelt mitzunehmen.
Immerhin: Da klatscht ein Kollege über jene Stars, die sogar zum eigenen Auftritt zu spät kommen. Und statt fulminanten Orchester-Sounds untermalt ein schrömmeliger Radiorecorder Felix’ letzte Probe.
Im Publik sitzt derweil Ivonne, ein junger Fan mit unglücklichem Dekolletee, und sieht die Show zum 35. Mal. Natürlich wegen des Zu-Spät-Kommers John Marschall. Doch das hebt sich Arte wohl für die nächsten Folgen auf. stg
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