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Archiv-Artikel

sri lanka & indonesien Spaltung der muslimischen Welt

Die Flut hat zwei Bürgerkriegsgebiete getroffen: Sri Lanka und das indonesische Aceh. Dort wie in den anderen betroffenen Ländern hat die Katastrophe über die ethnischen, religiösen und politischen Konflikte hinweg zu einer unerwarteten Zusammenarbeit unter den Menschen geführt. Und für einige Wochen werden die Herzen noch weich sein. Das ist die gute Nachricht in der schlechten. Aber sie scheint leider noch nicht für die politischen Spitzen zu gelten; im Konflikt zwischen Hauptstadt und Peripherie verstärkt die Katastrophe auch den Konflikt zwischen Zentralgewalt und Unabhängigkeitsbewegungen.

KOMMENTAR VON JOHAN GALTUNG

Dennoch ist jetzt nicht der passende Zeitpunkt, die Hilfsangebote aus dem Westen mit der Forderung an die Regierungen in den Empfängerländern zu kombinieren, eine aktivere Friedenspolitik zu unternehmen. Eine solche Konditionierung würde die Opfer zu Geiseln machen. Alles, was die westlichen Staaten jetzt tun und fordern, muss aber zu einer dauerhaften Lösung in der Region passen.

Sowohl in Sri Lanka als auch in Indonesien sollte nun ein Ministerium und eine Verwaltungsbehörde für die Katastrophenbewältigung aufgebaut werden, die paritätisch von beiden Konfliktparteien beschickt wird. Auf diese Weise könnte nicht nur die Hilfe langfristig zivilisiert, sondern ebenso mit der dringend nötigen Föderalisierung der beiden Staaten begonnen werden.

Auch die Vereinten Nationen sind in der Katastrophe erstarkt. Das haben selbst die USA bemerkt und sich daher sofort engagiert. Präsident Bush trägt zwar keine Schuld am Tsunami, doch seine Strategen entwickeln sofort nützliche Szenarien, um ihren Einfluss auszuweiten. Dass sie in Sri Lanka, wo sie gern eine Militärbasis hätten, jetzt mit den US-Marines präsent sind, konnte nicht einmal Indien verhindern. Sonst wäre dem Land vorgeworfen worden, Hilfe für seinen Nachbarn zu blockieren.

Das US-Engagement in Indonesien wiederum dient als Brücke zur islamischen Welt, wo es die Spaltung in arabische und nicht arabische Staaten verstärkt – analog verfährt die EU ja mit der Türkei. Nur: In Indonesien wie in Sri Lanka werden solche Versuche Widerstand mobilisieren. Die Annäherung der Türkei an die EU hat hingegen wenig Gegenkräfte mobilisiert, und im Katastrophengebiet ist EU-Hilfe erwünscht. Die Europäer sind eben die besseren Diplomaten.

Der Konfliktforscher Galtung, 74, ist Träger des Alternativen Nobelpreises. Er vermittelt im Bürgerkrieg Sri Lankas.