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Archiv-Artikel

sozialneidischer umsonst-suff in der db-lounge von HARTMUT EL KURDI

Kaum behandelt die Bahn ihre Kunden andeutungsweise zuvorkommend und nicht wie lästige Schaben, vermittelt sie fast zeitgleich, dass das nicht wirklich ernst gemeint ist und man sich erst gar nicht daran gewöhnen soll. So bin ich als Vielfahrer seit einiger Zeit „bahn.comfort“-Kunde, was mir zunächst egal war, weil man mir damit nur Ermäßigungen bei Leihwagen und anderen Unsinn offerierte. Nichts, was mich interessiert hätte. Dann aber entdeckte ich die den „bahn.comfort“-Kunden vorbehaltene „DB-Lounge“.

Zwar ist die „DB-Lounge“ eigentlich etwas Selbstverständliches, etwas, das die Bahn jedem anbieten sollte, nämlich einen Ort, an dem man in Ruhe auf den nächsten Zug warten, die Zeitung lesen und ein Umsonstgetränk trinken kann. Aber da dies dem normalen Kunden nicht gegönnt wird, außer er fährt Erster Klasse, empfindet man die Lounge als dandyhaften Luxus. Erfreulich und überraschend dabei ist, dass die Bahn die Mehreinnahmen, die man ihr durch Vielfahren in die Kasse scheffelt, ebenso honoriert wie die Mehreinnahmen, die die Erste-Klasse-Kunden durch ihre überteuerten Tickets einbringen.

Als ich aber neulich mein abgeschubbertes Rollköfferchen zum ersten Mal in die DB-Lounge des Berliner Hauptbahnhofes lenkte, stellte ich fest, dass es mit dem egalitären Lounge-Luxus nun auch vorbei ist. Da sieht’s nämlich so aus: Im vorderen Bereich darf sich wie gehabt der häufig Zug fahrende Zweite-Klasse-Plebs tummeln, während der hintere, durch Sichtblenden abgetrennte Teil den Erstklässlern vorbehalten ist, die dort am Platz bedient werden und sogar alkoholische Getränke umsonst ordern können.

Nun muss ich weder am Platz bedient werden, noch ist mein Leben so jämmerlich, dass ich mir schon am Bahnhof einen löten muss, aber interessant ist es schon, dass es die besitzenden Schichten in diesem Land offenbar nicht aushalten, dass das Fußvolk ausnahmsweise mal das Gleiche bekommt wie sie. In Bezug auf die überflüssigen Luxus-Wartehallen könnte dieser Sachverhalt zwar wurschter nicht sein, aber es zeigt, dass der Sozialneid von oben sogar in Richtung Mittelschicht funktioniert. Da aber leider nicht aufhört.

Eklig und relevant wird es dann, wenn Menschen mit guten Einkommen und den daraus resultierenden Privilegien den wirklich Benachteiligten das Recht auf ein einigermaßen würdevolles Leben absprechen. Guido Westerwelle, der Hohepriester dieser Form des Sozialneides, schreibt in seinem Pamphlet „Für eine freie und faire Gesellschaft“: „Es ist unfair, wenn Zumutbarkeit immer nur aus der Sicht eines Sozialhilfeempfängers definiert wird.“

Aus welcher Sicht denn sonst? Selbstverständlich muss man diese Frage aus der Sicht der Schwächsten stellen. Bei allen anderen sind ein paar Einschnitte und Steuern nämlich keine Zumutung. Aber bei der Diskussion um Kürzungen und Verschärfungen bei Hartz IV geht es den Parteien nur um eins: Um das Schüren eines monströsen Neids gegenüber den Verlierern. Verlierer haben nun mal verloren und sollen auch so leben. Und wenn sie devot genug sind, werden sie vielleicht mit durchgefüttert. Aber auf keinen Fall dürfen sie am Platz bedient werden.