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sommersmogBLAMABLES VERSAGEN

Peinlich. Ausgerechnet unter Rot-Grün fahren die Deutschen zum ersten Mal seit fünf Jahren ohne Smog-Verordnung in den Sommer. Da mag uns im August unter hohen Ozonwerten in der Luft noch so sehr der Kopf brummen, da mögen Asthmatiker auf der Straße um Atem ringen. Nichts wird passieren.

 Wozu sind Grüne und SPD eigentlich an der Regierung? Wozu mussten wir uns jahrelang dieselbe Zeremonie anschauen? Uns anhören, wie sich die SPD- und rot-grün regierten Bundesländer Sommer für Sommer über die laschen Ozongrenzwerte der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel aufregten? Um nun ganz ohne Regelung dazustehen.

 Die Bremser sitzen, wie so oft, im Kanzleramt und im Verkehrsministerium. Tempolimits und Fahrverbote fürchten Sozialdemokraten wie der Teufel das Weihwasser. Als Umweltminister Jürgen Trittin rechtzeitig im März 1999 erstmals einen Vorentwurf für eine neue Sommersmog-Verordnung vorlegte, funktionierten die bekannten Reflexe. Die Bild-Zeitung hetzte, und der Kanzler polterte im Kabinett über den bösen Grünen, er solle sich gefälligst mit seinen Ressortkollegen absprechen. Kurz darauf meldete sich der damalige Verkehrsminister Franz Müntefering in den „Tagesthemen“, ein Tempolimit sei mit ihm nicht drin. Dazu braucht ein Sozialdemokrat keine Absprache.

 Doch was macht Trittin? Er lässt das Thema schleifen. Sieht zu, wie Kanzleramt und Verkehrsministerium auf Zeit spielen. Vielleicht könnte er den Grün-Wählern noch eine schwache Verordnung erklären. Wie aber eine fehlende? So musste ihn schließlich die grüne Fraktion mit einer eigenen Sommersmog-Initiative im April auf Trab bringen. Wohl zu spät.

 Jetzt bedürfte es viel guten Willens im Kabinett, um eine Verordnung bis zum Sommer durchzubringen. Das klappt nur, wenn der Bundesrat sich beeilt, wonach es nicht aussieht. Und wenn es dieser Regierung an etwas mangelt, dann an gutem Willen der Koalitionäre untereinander. Schröder und Klimmt würden Tempolimits und Fahrverbote für alte Dreckschleudern und Rasenmäher am liebsten ganz aus der Verordnung heraushalten. Trittin hält sie für nötig, um besonders hohe Ozonwerte, die die Gesundheit beeinträchtigen, zu vermeiden. Seit einem Jahr steht man sich unverändert gegenüber. So ist zu befürchten, dass weiter gelten wird, was schon zu Merkels Zeiten galt: Nicht die Autos, sondern Kinder und Alte werden bei Ozonsmog von der Straße geholt.

 Sicher tut Trittin gut daran, bei diesem heiklen Thema nicht mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Doch hätte er Grund genug gehabt, seine Ressortkollegen zur Eile zu drängen – auch in der Öffentlichkeit. Schließlich lief die alte Sommersmog-Verordnung bereits im Dezember aus. So bleibt der bittere Eindruck, dass Trittin sich selbst in formalen Fragen nicht durchsetzen kann. Ein schwaches Bild. Der grüne Minister hat zwar deutlich dazugelernt, was seine öffentlichen Auftritte anbelangt. Sein jüngster Einsatz für das Atomausstiegsgesetz war eindrucksvoll.

 Doch immer noch muss er auf seinen ersten größeren persönlichen Erfolg in der Regierung warten: Der Atomausstieg ist immer noch nicht zu Ende ausgehandelt. Das Klimaschutzprogramm noch in der Ressortabstimmung. Die bisherigen umweltpolitischen Erfolge bei Ökosteuer, 100.000-Dächer-Programm und Energie-Einspeise-Gesetz gehen alle eher auf das Konto der Bundestagsfraktion der Grünen und einiger SPD-Umweltpolitiker. Umso peinlicher der Ausfall beim Sommersmog.

MATTHIAS URBACH

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