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Archiv-Artikel

sommerfest mit magnum von JOACHIM SCHULZ

Es gibt viele Menschen, die im Winter Geburtstag haben und weder Gram noch Groll empfinden, dass Schneemänner in den Gärten stehen, wenn sie die Kerzen auf der Torte auspusten. Bei Nico ist das anders. „O Mann!“, ruft er: „Ich liebe den Sommer, das Zirpen der Grillen, das Spannungsgefühl, das ein leichter Sonnenbrand auf dem Rücken erzeugt! Warum muss ausgerechnet ich im trüben, tristen Februar geboren werden? Warum darf gerade ich nie eine Party im Freien feiern?“

Trotzdem halte ich es für einen Scherz, als mitten im tiefsten Schneetreiben eine Einladung zu einem „Sommerfest im Garten“ eintrifft, in der ausdrücklich um eine „leichte, heitere Juli-Garderobe“ gebeten wird. Zwar ziehe ich außer dem Wintermantel auch das kreischbunte Hawaiihemd an, das ich mir einmal für eine Mottoparty kaufte, die der Fernsehserie „Magnum“ gewidmet war – doch selbstverständlich nehme ich an, dass die Party wie üblich in Nicos anständig beheizter Wohnung stattfindet und allenfalls ein paar aufblasbare Palmen für das gewünschte Juli-Flair sorgen.

Als ich bei ihm eintreffe, hängt an der Haustür jedoch ein Zettel mit der Aufschrift „Wir sind im Hof!“, und tatsächlich finde ich hinter dem Haus alles vor, was zu einem klassischen Sommerfest gehört: Bierbänke, Grillwurstgeruch, Lampions in den Bäumen – nur die Gäste mögen nicht ausgelassen palavern und krakeelen, sondern beschränken sich darauf, laut mit den Zähnen zu klappern.

Nico dagegen grinst breit, als er mir in kurzer Hose und T-Shirt entgegenstiefelt und dabei „Wie schön, dass du kommen konntest!“ ruft. „Nico“, sage ich, „bist du total meschugge geworden?“ Er aber antwortet nicht, sondern nestelt an meinem Mantel. „Zieh doch die dicke Robe aus, du schwitzt dich ja tot bei diesen Temperaturen!“, sagt er, energisch an den Aufschlägen zerrend, und daher ist es ein Glück, dass ein Gast am Büfett jetzt so heftig niest, dass ein Lampion aus dem Baum fällt und Nico sich erst mal um die brennende Laterne in der Nudelsalatschüssel kümmern muss. So flüchte ich mich zu Beate und Luis, die etwas abseits stehen. „Glotz nicht so blöd, er hat uns dazu gezwungen!“, knurrt Luis, als er bemerkt, dass ich auf ihre nackten Füße starre, die in Flipflops stecken. Beate wiederum weist mit dem Kopf auf einen Pulk von drängelnden Menschen und sagt: „Komm, wir machen noch einen Versuch: Vielleicht schaffen wir es ja diesmal, uns bis vorne zum Grill durchzukämpfen.“

In diesem Moment betreten zwei Polizisten den Hof. „Was ist denn hier los?“, staunt einer von ihnen. „Das sehen Sie doch, ein Gartenfest!“, sagt Nico fröhlich. „Aber das ist verrückt!“, sagt der Polizist. „Meinetwegen“, lächelt Nico, „aber ist es auch verboten?“ – „Verboten? Tja … eigentlich nicht.“ – „Na dann: auf Wiedersehen!“, sagt Nico, und während die beiden Beamten sich verdattert zum Gehen wenden, überlege ich, ob ich nicht einem von ihnen die Mütze vom Kopf schubsen soll, damit sie mich verhaften und für den Rest der Nacht in eine warme Zelle sperren. Doch dazu bin ich wohl zu feige, und so lasse ich sie ziehen, ehe Nico mir den Mantel herunterzerrt und zu seiner großen Freude das farbenprächtige Magnum-Hemd zum Vorschein bringt.