sitzung bei einzeller von EUGEN EGNER :
Pünktlich um siebzehn Uhr erschien ich zu meiner ersten Porträtsitzung bei Einzeller. Er war gerade erst mit der Renovierung seiner Atelierwohnung fertig geworden. Alles war ordentlich gipsfrei vergimpelt, an den Wänden hingen Emailleschilder mit dem Wortlaut „Die Tapete bitte nicht beschriften und nicht bestempeln“.
Auf einem Rundgang zeigte er mir stolz das Erreichte: „Hier war alles voller Rohre, die mussten restlos raus.“ Anstelle der Rohre hatte er ein Zwergenzimmer und ein außergewöhnlich starkes Magnetfeld eingebaut. Ob Letzteres einen Schnurrbart trug, wusste Einzeller noch nicht.
Nach Feierabend, verriet er mir, säße er am liebsten mit der Viola bastarda auf seinem Stuhl Robert in Kaminnähe und rhapsodiere. Je nach Inspiration nehme er auch schon mal die Putenglocke. Der Vollständigkeit halber teilte er mir noch mit: „Normalerweise trage ich dazu ein Katzenkostüm, momentan ist es aber in der Reinigung.“
So viel zum Menschen Einzeller, kommen wir nun zum Maler. „Ähnlichkeit ist Glückssache“, lautete dessen Devise, eigentlich hatte er sich auf das Zeichnen von unförmigen Dingen wie Klumpstücken oder Haufen spezialisiert, aber Porträts pinselte er halt auch. Da er nach B 4 besoldet wurde, konnte sogar ich es mir leisten, mich von ihm malen zu lassen.
Ob ich vorher vielleicht andere Porträts sehen könne, die von ihm stammten, fragte ich ihn. Das ließ sich machen, denn die Personen, die er bereits konterfeit hatte, waren nicht bereit gewesen, die fertigen Bilder zu kaufen. Stolz zeigte Einzeller mir eine ganze Galerie. Besonders ergreifend fand ich Heydrich in kurzem Röckchen (man konnte alles sehen), den weiblichen Porno-Star Groff Plimp (vormals: Das endgültige Sudelblondchen), den Monddoktor (mit an ihn adressiertem Paket), das Himmelherrgottshuhn und, am allerschönsten, Jesus Umbrella im Schwimm-Mantel.
„Ist das toll?“, fragte Einzeller zuletzt. „Ja“, bestätigte ich aufrichtig, „das ist toll!“ Ich war sehr gespannt, als ich sein Atelier betrat. „Jesus, die vielen Tuben und Pinsel!“, rief ich aus. Einzeller winkte ab, das kannte er alles schon. „Gehen Sie mir weg mit Tuben und Pinseln“, bellte er verächtlich. Am liebsten spiele er halt doch Viola bastarda. Um sich Mut zu machen, rief er laut: „Für heute ist das letzte Bild noch lange nicht gemalt!“ Ich setzte mich auf Gerhard, seinen anderen Stuhl, und machte mein Porträt- Gesicht. Einzeller manschte Farben auf seiner Palette zusammen, und ich konnte nur hoffen, das, was dabei entstand, werde beim Malen nicht zum Einsatz kommen. Da dann aber doch genau das geschah, wurde ich unruhig.
„Stillhalten“, herrschte mich der Maler an. Dann fragte er: „Mit Hintergrund?“ – „Jawohl. Am besten eine Herbstlandschaft“, schlug ich vor. „So, so, Herbstlandschaft“, brummte Einzeller, „mit Bügelfalten am Himmel?“ – „Ja, bitte.“ Stundenlang malte er dann auf beiden Seiten der Leinwand, zerbiss Pinsel, trug Ausgleichsmasse auf und gab sein Äußerstes, das Ergebnis war allerdings enttäuschend. Auf dem Konterfei war mein Haaransatz total durchgerutscht, und die Füße waren derart misslungen, dass die Rhododendren im Vorgarten Hämorrhoiden bekamen.