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Archiv-Artikel

sicherheitsrat Geschacher statt Recht

Die Art, wie im UN-Sicherheitsrat derzeit um Stimmenmehrheiten gekämpft wird, könnte vergessen lassen, dass es eigentlich um Krieg und Frieden geht. Die Regierungen beantworten die Frage, ob Saddam Hussein angegriffen werden soll, nicht abhängig von der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak oder auch nur dem Glauben daran – über Krieg und Frieden entscheiden stattdessen die jeweiligen Interessen, und die orientieren sich maßgeblich am Verhältnis zu den USA.

Kommentarvon BERND PICKERT

Davon war die Irakdiskussion von Beginn an geprägt. Hätte die Bush-Regierung das Thema nicht so vehement auf die Tagesordnung gesetzt, hätte niemand den Irak für ein irgendwie drängendes Problem gehalten. Nun argumentiert die US-Regierung, genau daran könne man erkennen, dass der Sicherheitsrat sich selbst und seine Resolutionen der letzten zwölf Jahre nicht ernst nehme. Die Autorität des Sicherheitsrates stehe auf dem Spiel, heißt es.

Das dürfte stimmen. Immerhin hat US-Präsident George W. Bush schon in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 12. September vergangenen Jahres das „Recht“ der USA betont, gegebenenfalls auch ohne die Vereinten Nationen militärisch gegen den Irak vorzugehen. Klarer kann man kaum ausdrücken, dass die Supermacht gar keine Autorität anerkennt, die ausgehöhlt werden könnte. Bush gibt den Erlkönig: Ach, UNO, mich reizt deine schöne Gestalt, Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.

Egal, wie das Geschacher im Sicherheitsrat nun ausgeht: Eine überzeugende Legitimität kann der Sicherheitsrat unter solchen Bedingungen nicht entwickeln. Gibt es eine Neun-Stimmen-Mehrheit für die USA und Großbritannien, haben sich Druck und Stimmenkauf durchgesetzt. Gibt es eine einfache Mehrheit bei einigen Enthaltungen, kommt keine Resolution zustande, aber womöglich erklären Bush und Blair, dass ihnen dieses Ergebnis zum Angriff ausreicht. Der Sicherheitsrat wird dagegen nichts unternehmen und steht wiederum zahnlos da.

Wahrscheinlicher ist, dass der Resolutionsentwurf erneut verwässert wird und später – wie schon Resolution 1441 – je nach Gusto zu interpretieren ist. Das bringt außer ein paar Tagen mehr nichts, müsste aber eigentlich einigungsfähig sein. Denn so sehr auch die US-Regierung öffentlich auf rasche Entscheidungen drängt, so sehr ist doch selbst ihr an Legitimation gelegen. Der Rat kann Zeit schaffen. Mehr derzeit wohl nicht.