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Archiv-Artikel

schwatz-grün von WIGLAF DROSTE

Der deutsche Kleinbürger ist zuverlässig langweilig und dumm: Wenn er in Panik gerät, rennt er nach rechts. Die Unwägbarkeiten des Lebens machen ihm furchtbar Angst, bereitwillig tauscht er das Dasein gegen einen Hochsicherheitstrakt ein. Dort ist er gut behütet, und der Wärter wird’s schon richten. Der Wärter kann nämlich „zero tolerance“ aus dem Newyorkischen übersetzen. Auf Deutsch klingt es noch eine Spur nulliger: Null Toleranz, und wer auf der Straße raucht, kriegt auch eins drauf. Das ist die späte Rache der Deutschen an Marlene Dietrich. Die hat damals nicht mitgemacht, und mitmachen muss man.

„Ich habe es satt, gegen etwas sein zu müssen! Ich will für etwas sein – ich will schwarz-grün“, heult also der Mitläufer, als wolle irgendjemand ihn daran hindern. Seinen Konformismus verkauft er als Querdenkerei, denn genauso groß wie sein Bedürfnis nach Selbstauflösung in der Masse ist sein Wunsch, dabei auszusehen, als sei er etwas ganz Besonderes. Gerade die Landsleute, die einen Grundkurs in Neinsagen dringend nötig hätten, flennen einem die Ohren voll, dass sie endlich, endlich einmal Ja sagen dürfen wollen. Denn erlaubt und abgenickt sein muss es, sonst fühlt sich der Jasager beim Jasagen verfolgt. Das ist seine Haltung zur Welt: Keine Haltung haben und plärren, die anderen Kinder wären schuld.

Die Frage, woher so viel verzweifelte und aggressive Affirmationswut kommt, kann nur der Psychopather beantworten. Faszinierend ist eher der Aspekt der Selbstbezichtigung: Wenn man schon so beschränkt ist, warum sagt und zeigt man das dann aller Welt? Wer ein Gehirn wie ein Winkelement hat, muss eben immerzu damit wedeln. Und behaupten, ein homosexueller Bürgermeister sei an sich schon etwas Fortschrittliches und also Begrüßenswertes, ganz egal, wie asozial die Politik ist, die er vertritt.

Der schwarz-grüne Spießertraum ist ein Albtraum. Die Doppelhaushälfte hat Solarzellen auf dem Dach, die Kinder sind von Manufactum. Vati ist um die vierzig und lässt sich noch einmal die Haare lang und die Koteletten fußschlappenbreit wachsen. Er glaubt, er wirke dann jünger, und beweist damit, dass auch ein schwaches Denkvermögen immer noch weiter reduziert werden kann.

Gleichermaßen dreist wie ulkig ist der Versuch, die schwatzgrüne Mode als etwas Konservatives hinzustellen. Wirrsinnige, die von Rot-Grün zu Schwarz-Grün überschwappen, um ihrem Leben eine scheinbar provokante Note zu verleihen, wissen gar nicht, was wirklich konservativ ist: klug sein und der Aufklärung treu bleiben. So wie Johnny Cash und Joe Strummer in ihrer Version des im bobmarleyschen Original unerträglichen „Redemption Song“ singen: „Emancipate yourselves from mental slavery/ Non but ourselves can free our minds.“ Um aber seinen Geist befreien zu können, muss man über einen verfügen. Da ist der schwatz-grüne Windbeutel ausgegrenzt. So fair ist das Leben.

Der wahre Konservative lässt die Moden Moden sein und behält statt ihrer seinen Verstand. Indem er ihn benutzt, hält er ihn wach und scharf. Verstand ist, wie Geschmack, eben keine Geschmacksache, sondern die Lebensentscheidung zwischen klug und blöde.