schurians runde welten : Dem Hahn sein Ei
„Alle Spielerinnen sind physisch sehr stark. Ich glaube, jede von ihnen kann den Ball 70 Meter weit schießen“
(Michael Käld, Finnland)
Was war zuerst da? Die Empörung des Sportreporters Reinhold Beckmann über die Dummheiten von Robert Huth im Abwehrzentrum oder Robert Huths Dummheiten. Anders gefragt: Beschreibt oder beschreit der Sportschau-Spieß, was er sieht? Wenn nicht auszuschließen ist, das winzige Schmetterlingsflügel einen tropischen Wirbelsturm entfachen, was zieht dann das Aufsehergebrüll des Fernsehfritzen nach sich? Auf jeden Fall nichts gutes. Der bundesdeutsche Fußball ist, wie er ist, weil wir sind, wie wir sind: ein Haufen eingeschüchterter Miesmacher.
Vorgestern hatte ich endlich einmal die Wahl zwischen dem nationalen „Hosianna-Kreuzigt-ihn“-Kult mit 22 Männerbeinen oder seiner harmloseren Variante namens Frauenfußball, der sich in den letzten Jahren wirklich gemacht hat. Leider nicht zu seinem Besten.
Die Bundesrepublik Deutschland stellt die kontinentale Übermannschaft. Gegnerinnen sind völlig chancenlos gegen die schnelleren, Schuss stärkeren, ausdauernderen Bundesdamen. Sie können gegen die Fäuste von Torfrau Silke Rottenberg, die Flügelläufe von Kerstin Garefrekes oder die Grätschen von Sonja Fuss kaum etwas ausrichten. Ja, es scheint, Fußballfrauendeutschland lüftet derzeit ein großes Geheimnis: Wie einseitig es wäre, wenn Männer gegen Frauen spielen.
Aber ist die Weiterentwicklung des Frauenfußballs wirklich seine Vermännlichung? Oder ist das bloß chauvinistischer Unfug, weil der unwiderstehliche Antritt von Mittelstürmerin Birgit Prinz nur in meinen Männeraugen aussieht wie Karlheinz Riedle mit einer Steckfrisur?
18.6. Deutschland-Tunesien
Nun zu etwas ganz anderem: Peer Steinbrücks letztem Gang. Eigentlich wollte der scheidende NRW-Ministerpräsident am kommenden Dienstag ein Fachgespräch über den Staat als Moderator mit Philosoph Hermann Lübbe führen. Jetzt wird er im Kölner Stadion das letzte Mal den Landesvater geben. Bitter für Steinbrück: Ausgerechnet beim Erzrivalen darf der Gladbach-Fan das letzte Mal in der politischen S-Klasse Platz nehmen. CHRISTOPH SCHURIAN