piwik no script img

Archiv-Artikel

schurians runde welten Eine akademische Frage

„In der Bundesliga war ich immer nur Ego für einen Verein.“ (Klaus Toppmöller)

Als Klaus Toppmöller noch den VfL Bochum trainierte, leitete Leander Haußmann das Schauspielhaus der Stadt und beide erfreuten sich an einem Rolling-Stones-Revival. Der eine, Ost-Regissseur Leander Haußmann, hatte sich die Musik-Globalisierer als Soundteppich der Rebellion schön gehört. Toppmüller, dem Moseldeutschen aus Rivenich, angetreten dem VfL das Stürmen zu lernen, gefiel die Musik. Vielleicht erinnerten ihn Jagger und Co. auch an eigene Eskapaden, eine mehrtägige Wanderung durch die texanische Steinwüste, als er für einen Operettenclub namens Dallas Tornados ins Trikot schwitzte. Auch aufgrund solcher Vereinsnamen hat es der US-Fußball übrigens so schwer. Oder heißen europäische Clubs Lawine Salzburg oder Hochwasser Dresden?

Mit Toppmöller habe ich mal einen Abend verbracht, bei ihm gesessen in der Bochumer Theaterkaschemme. Der Erz-Lauterer hatte zuvor Trompete gespielt, war Talkgast bei einem blau-weißen Montag. Seither habe ich Toppmöllers Blick nicht mehr vergessen. Er sieht einen nicht, er durchschaut mild und klar aus blauen Augen. Als könnte er heilen. Ruhe ist darin, Weisheit. Toppis Problem? Wenn er spricht in dem feuchten Idiom des Flusstals, der betonten Bodenständigkeit, verflüchtigt sich die Aura. Würde er reden, wie schauen, er müsste wohl nicht einen Sparringspartner des Weltfußballs trainieren, nicht am Samstag mit Georgien gegen Deutschland antreten, sondern in München oder Mailand auf der Bank sitzen.

Bei seinem Samstagsgegner Joachim Löw sind Blick und Sprache besser miteinander versöhnt. Der Bundestrainer ist ein penibler Fußballoberlehrer, strebsamer Akademiker, südwestdeutscher Rationalist, eine Art kickender Salem-Schüler. Er heilt nicht, er doziert, wiederholt im strengen Tonfall eines Philosophieprofessors aus Tübingen einzelne Satzteile, rhetorisch, immer leiser werdend: „Männer, wir schpielen das heute mit allerhöchschter Dischziplin, höchschter Dischziplin, höchschter Dischziplin.“ Bei Löw klingt Fußball nach Feuerzangenbowle.

Dass der deutsche Fußball auf dem Weg ins Studierzimmer ist, kann auch die gestrige Ausgabe der Bochumer WAZ beweisen. Wütende Fans ereifern sich darin über die Leistungen des VfL Bochum. Darunter auch ein Professor Th. – einer wie Löw: „Es ist ein beliebtes rhetorisches Stilmittel“, strunzt der Habilitierte, „mit Totschlagargumenten gegen Kritik zu immunisieren.“ Um dann Toppmöllers Nachfolger, Marcel Koller, zu beschimpfen, nein, ein Rigorosum zu veranstalten: „Was ist von einem Trainer zu halten, dem es nicht gelingt, [Abwehrspieler] Maltritz zu verbieten, planlos hohe Bälle nach vorn zu schlagen?“ Antwort: Ist nur eine akademische Frage. CHRISTOPH SCHURIAN