schurians runde welten : Blutige Käfighaltung
„Da stand eine völlig leblose Mannschaft auf dem Platz.“ (Heiko Butscher)
Martial Arts – das klingt nicht nur wie Mad Max, es sieht auch genauso aus. Wie der Wüstenkrieger aus den Achtzigern tragen auch die martialischen Kampfkünstler von heute Handschuhe ohne Finger und schlagen in Käfigen aufeinander ein. Der Unterschied: Es strömt kein Filmblut. Offenbar habe ich eine Gesetzesänderung verpasst und Gladiatorenkämpfe sind wieder legal. In Düsseldorf weist dieser Tage jedenfalls ein Plakat auf eine tingelnde Schlägertruppe hin. Seltsam weichgezeichnet ist ein Brutalo zu sehen, der auf einem anderen hockt, ihn mit Fäusten haut. Die Frage ist, wer will so etwas sehen? Oder auch: Wer nicht?
Im ohnehin recht schmerzfreien Deutschen Sportfernsehen laufen schon seit geraumer Zeit Beiträge aus Trainingslagern. Auch Kämpfe der Gewalttäter werden gezeigt und entspannt analysiert. Als ich neulich in eine solche Übertragung hinein geriet, erzählte Ruhri Ralf Richter gerade vom Knast, die Moderatorin trug dazu die Garderobe vom Lilo Wanders auf und der folgende Kampf war schon wieder lustig.
So weit ich es verstanden habe, ist in den Käfigen eigentlich alles erlaubt: Kniestöße, Tritte gegen Liegende, Würgegriffe. Nur eines darf man nicht: Mit den Fingern in die Augen des Gegners zu stechen. Und was hat der schwächere Athlet gemacht? Genau.
Wer das nicht sehen konnte, keine Bange – wenn die Quoten stimmen, wird es nicht mehr lange dauern, dann sieht man das auch auf ARD oder ZDF. Und wer das nicht glauben will, hat keinen Fernseher. Es sind schließlich die Öffentlich-Rechtlichen, die dafür sorgen, dass am Wochenende immer noch Boxen über die Mattscheibe flimmert – was ein schöner Amateursport ist, aber ein heruntergewirtschafteter Profisport. Die softere Ära des Ost-Biedermannes Henry Maske lief noch bei den Privaten, die heutigen Faustkämpfe sinistrer Typen aus dunkeldeutschen Boxställen zahlt der Gebührenzahler. Und geht es nach dem Willen der Bundesländer, kann sich bald niemand mehr davon befreien lassen, weil alle ihren Medienobolus abgeben müssen. Immerhin werde ich dann wütend genug sein für meine eigene blutige Käfignacht.
Ich weiß nicht warum, aber Rundfunkanstalten, etwa ihre Verträge mit privaten Sportanbietern, regen mich besonders auf. Ob dreistellige Millionenbeträge für die Bilder der Fußballbundesliga, für Radsportteams oder Autorennen. In mir regt sich ein Gefühl, das ich das erste mal bemerkte, als die Tagesschau die Teilnehmerzahlen an einer Kundgebung auf dem Bonner Hofgarten um die Hälfte eindampfte. Ach ja, damals ging es um Friedensbewegungen.CHRISTOPH SCHURIAN