piwik no script img

Archiv-Artikel

schurians runde welten Piratenfilm ohne Kanonen

„Wir wünschen uns doch alle, dass Jochen Schümann kommt. Das hier war schon immer seine Kampagne. Ich war doch nur der Stellvertreter.“ (Jesper Bank)

Das Wort Kampagne ist der Groschen in meinem aktiven Wortschatz, so gewöhnlich wie die schmutzig gelbe Münze im Sparstrumpf. Menschen, die sich mit der taz befassen, geht es eben wie den rheinischen Bauern: Irgendwann muss die Ernte eingefahren werden. Und dann zuckelt die so genannte „Rübenkampagne“ so erhaben über Land- und Bundesstraßen in die Zuckerfabrik, dass man sich hinter dem Stau grandios gestapelter Anhänger trotzdem freut, etwas so wichtigem wie einer Kampagne beizuwohnen. Womit wir beim Louis-Vuitton-Cup sind.

Dabei handelt es sich nicht um den Pokal der Kofferdiebe oder die Weltmeisterschaft im Teuer-Einkaufen, sondern um endlos viele Segelwettfahrten vor der spanischen Küste. Weil an der Vorentscheidung zum America‘s-Cup erstmals eine deutsche Yacht teilnimmt, beziehungsweise herumdümpelt, und weil die Trophäe von einem eigentlich deutschen, nämlich schweizerischen Boot verteidigt wird, ist der Luxuslederwarenwettkampf das Ding des Frühjahrs.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten berichten über die, jawohl!, Kampagne der deutschen United Internet, als wollten sie all die Jahrzehnte Segelabstinenz wieder gut machen. Mittags oder nachts sehen wir deshalb sehr viel Schleichwerbung und Bilder vom Segeln, von verspritzten Bordkameras, kletternden oder kurbelnden Seeleuten, Navigatoren am Fernglas. Ein bisschen ist das wie Piratenfilme ohne Kanonen. Um das gemächliche Wellengleiten spannend zu machen, wird in den Commodore 64 Modus umgeschaltet. Im Zeitraffer jagen dann Computerschiffe mit Vektoren übers Wasser, halsen, kreuzen bei sieben, acht Knoten, umgerechnet halsbrecherische 15 Stundenkilometer. Wie beim Gewichtheben oder Radrennfahren wird auch das Segeln vor dem Start entschieden.

Beim Sportschauen neige ich sowieso dazu, immer zu den Falschen zu halten. Im Segeln finde ich BMW-Oracle, die US-Bayrische-Crew toll und nicht etwa die sympathischen Südafrikaner, denen gönne ich Mast- und Schotbruch. Mögen ihnen die Spinnaker ausgehen!

Im Fußball hab ich auch solche Anwandlungen. Kaufte dereinst ein Real-Madrid-T-Shirt in Bugs-Bunny-Ästhetik, was doppelt geschmacklos ist. Ich halte leider zu Chelsea, weil die diesen reichen Russen hinter Glas halten, oder ist es umgekehrt? Und ganz früher war ich Bayern-Fan.

Wie das ist? Gar nicht übel, gefühlt ist es das gleiche Leid wie bei einem Absteiger. Der einzige Unterschied: Die Bayern brauchen mich nicht und nie nicht eine Kampagne. CHRISTOPH SCHURIAN