schnittplatz: Brausekopf feiert Geburtstag
Ach, wenn man doch Fernsehreporterin wäre! Man hätte schon vor Monaten mit einer „The Making of ... U 3000“-Doku begonnen. Diese Bilder! Christoph Schlingensief in Namibia, Sonnenuntergang, Wagner schallt über den Fish River Canyon. Schnitt. Malzcafé, Berlin Prenzlauer Berg, O-Ton C.S.: „Da habe ich mir vorgenommen, ab jetzt bin ich im Bunker. Das bin ich jetzt auch. Ich glaube nicht an die fliegenden Autos, sondern komme erst raus, wenn alles funktioniert.“ Hier könnte man Schnipsel seiner Filme einspielen, ein wenig „Deutsches Kettensägenmassaker“ oder aktuellere Aufnahmen vom Wiener „Ausländer raus!“-Projekt, im Grunde aber wäre man schon direkt im Thema.
Weil das mit dem Funktionieren nämlich naturgemäß noch etwas dauert, arbeitet der Künstler vorerst an der Verlängerung des Bunkers in ausgewählte Wohnzimmer. Mit Hilfe von MTV wird er ab dem 30. November jeweils donnerstags um 22.30 Uhr aus einer rotierenden Berliner U-Bahn in die Republik senden. Noch ist keine Folge abgedreht, aber Visionen hat der Mann viele. „Die U-Bahn ist Trainingslager, ist Erprobung eines neuen Kampfmittels.“
Selbstverständlich wird „U 3000“ eine Talkshow (Mund halten kann Schlingensief nicht), aber keine, „wo die Leute in ihren Ledersesseln rumsitzen und dann wird hysterisiert: Die Rente! Das sind Oberflächen der Erstarrung.“ In „U 3000“ sollen Promis und Proleten ineinanderrasen. Über Aushänge in der Karl-Marx-Allee wurden Menschen mit tragischem Schicksal gesucht; live werden sie sich fragen lassen müssen, warum sie es als Kapital anbieten. Die Promis dürfen dann von den Vorteilen des Luxus berichten und Patenschaften übernehmen. Der Gentechnologie, so der Talkmaster in unschlagbarer Universalvernetzung, kann man nur unsterbliche Probleme entgegensetzen. Apropos Unsterblichkeit: Gestern wurde Herr Schlingensief 40 Jahre alt, und die Nachrichtenagentur dpa nannte ihn tatsächlich noch „enfant terrible“. Hurrah! 20-jähriges Dienstjubiläum! Die taz wünscht, dass sein Wunsch in Erfüllung geht: Am Ende jeder „U 3000“-Sendung will er die Zuschauer bitten, alle technischen Geräte im Haus abzuschalten. Inklusive Fernseher. Ein großes Geschenk, so eine Stille. CHRISTIANE KÜHL
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