schnittplatz: Speichellecken leicht gemacht
Reinhold Beckmann sah am Montag mal wieder so aus, als habe er sich gerade durch eine Abiturprüfung gemogelt. Am Ende seiner Talkshow wedelt er wirr mit den Armen, lässt erschöpft die Zunge raushängen und fragt Fritz Pleitgen mit flehentlicher Stimme: „Herr Intendant, war das in Ordnung?“ Pleitgen, als neuer ARD-Vorsitzender auch Beckmanns oberster Vorgesetzter, fand jedoch gar nichts in Ordnung.
Jedenfalls ließen seine oberlehrerhaften Zurechtweisungen auf eine gewisse Unzufriedenheit schließen. Einmal bellte er sogar seinen Talkmaster an: „Also wenn Sie jetzt politisch werden!“ Nein, das wollte Beckmann nicht. So gab er sich ganz den Bonmonts und Naturbeobachtungen seines Arbeitgebers hin, der gerade eine Reise durch den Kaukasus unternommen hatte. „Als ich kam, schwiegen die Schluchten. Das war wie bei Dumas!“, jubilierte Pleitgen.
Einmal musste Beckmann dann doch politisch werden – wenn auch nur in eigener Sache. So kam er in einem rhetorischen Amoklauf von der Waffengewalt in Tschetschenien auf die Heckenschützen zu sprechen, die in der ARD ihr Unwesen trieben. Die Anspielung, von Pleitgen geflissentlich ignoriert, war unmissverständlich. Schließlich hatte Kollege Alfred Biolek jüngst während eines Interviews mit der Woche in Bezug auf Beckmann rumgezickt, dass Lebenserfahrung und Sensibilität im Ersten wohl nicht länger gefragt seien. Das Einfühlungsvermögen des 66-Jährigen indes ist unerschöpflich, wie man einen Tag später bei „Boulevard Bio“ feststellen konnte. Weil er Finanzminister Hans Eichel zu Besuch hatte, versuchte der rustikale Gefühlsmensch die trockene Angelegenheit des Sparens als kollektives Rauscherlebnis erfahrbar zu machen. Biolek schwärmte von einer „stabilen Währung“ und leckte sich die Lippen, als gelte es, einen Riesling zu preisen. Als die Sprache auf die Summe von 1,6 Billionen kam, riss er schockiert die Augen auf und schrie: „Das kann man sich doch gar nicht vorstellen, oder?“
Sichtlich aufgewühlt blieb dem begnadeten Speichellecker nichts anderes übrig, als Eichel mit den Worten zu entlassen: „Ihr Erfolg ist auch unser Erfolg.“ Der Broiler, den der Minister mittags zu speisen pflegt, ist Biolek dann aber doch suspekt geblieben. CHRISTIAN BUSS
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