schnittplatz 1: Strukturprobleme im Wandel
Böser, böser Strukturwandel! Will alle Zeitungen ’puttmachen! Die Süddeutsche entlässt Mitarbeiter und stellt die Jugendbeilage jetzt ein (siehe unten), die Frankfurter Allgemeine entlässt Mitarbeiter und stellt die Berliner Seiten ein, und auch die Frankfurter Rundschau entlässt Mitarbeiter und stellt ihre Berliner Seite ein – wenn auch „nicht aus Kostengründen“, wie Chefredakteuer Jochen Siemens zu versichern sich beeilte. Dennoch sollen in einer „ersten Welle“ rund 20 Mitarbeiter gehen, werden Zeilengeld und Pauschalen gekürzt.
Kommt bei den besten Blättern vor. Nichts, wofür man sich schämen müsste. Ist eben der Strukturwandel, da kann man nix machen. So wie Schröders Deutschland AG ohne die terrorbedingte Flaute in der Weltwirtschaft weitaus besser dastünde, so ginge es der deutschen Presse ohne rezessionsbedingte Flaute in der Anzeigenwirtschaft prächtig. Hier wie dort waschen die eigentlichen Manager und Lenker ihre Hände in Unschuld.
Der Euphemismus vom Strukturwandel kommt da gerade recht. Vom Ruhrpott mit seinen geschlossenen Zechen fand der Begriff über die dortselbst ansässige WAZ-Gruppe Eingang in den Mediensprech – heute wandeln überall die Strukuren.
Und bei der Frankfurter Rundschau brandet bald die „zweite Welle“ an. Wie agiert hier eigentlich der Betriebsrat, wo es doch um menschliche Schicksale geht? Wasser schöpfen, sollte man meinen, Sozialpläne aufstellen und betriebsbedingte Kündigungen abwenden! Die telefonisch erreichbare Betriebsrätin möchte „für die taz in keinster Weise für irgendwas als Quelle zur Verfügung stehen“. Und der Betriebsratsvorsitzende Viktor Kalla, seines Zeichens Drucker? Der gibt sich zwar gerne kernig („Wir können unsere zahlenmäßige Größe in eine qualitative Stärke verwandeln, um uns lautstark einzumischen“), hat sich aktuell aber in einen vierwöchigen Urlaub verabschiedet. Auch die hessische Abteilung der Deutschen Journalisten Union (DJU) scheint die „größte Zeitungskrise seit fünfzig Jahren“ gelassen zu nehmen: Die DJU-Landesvorsitzende weilt, wie Herr Kalla, im Urlaub. Für vier Wochen. Ihr Name: Michaela Böhm-Kalla. Manche Strukturprobleme sind eben doch hausgemacht. FRA
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