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Archiv-Artikel

schmickler macht ernst 23.600 Promille – und bald mehr!

Wilfried Schmickler: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Grün-grün-grün sind alle meine Nachbarn, grün-grün-grün ist jeder, den ich seh! Na gut, nicht jeder, aber immerhin doch fast jeder zweite. Was für ein Wahlergebnis: 44,1 Prozent Grüne in meinem Wahlbezirk. Habe sofort meine Adresse ändern lassen: Wilfried Schmickler, Metzer Straße, Köln Neustadt-Grün.

Auch das Abschneiden der Grünen bei „Köln insgesamt“ ist ein echter Hammer: unglaublich fette 23,6 Prozent, d.h. die Grünen haben in nur 25 Jahren ein Viertel der Wahlberechtigten hinter sich geschart. Dafür hat die SPD mehr als ein Jahrhundert gebraucht! Natürlich hat so ein gewaltiger Erfolg auch seinen Preis: die programmatischen Ecken und politischen Kanten von einst abgeschliffen bis zur Unkenntlichkeit, das „imperative Mandat“ (erinnert sich noch jemand?) ersetzt durch das Prinzip Imperator und die Einzige, die noch rotiert, ist Petra Kelly in ihrem Grab. Aber sei's drum! Ab sofort gilt: „Grüne Welle in Köln“ (Express) – ob rechte oder linke, egal, Hauptsache Überholspur.

Wer hätte das vor 25 Jahren gedacht: Die Grünen „mutieren zur Volkspartei“ (Barbara Moritz). Und wie es sich für eine ordentliche Mutation gehört, mutiert sie – mutatis mutandis – endlos weiter. Ab sofort heißt die Mitgliederversammlung der Grünen „Volkskongress“, die Parteizentrale „Halle des Volkes“ und die Abgeordneten werden endlich zu dem, was sie immer sein wollten, zu „Volksvertretern“.

Schon plant die Partei des ökologisierten Volkes den nächsten Coup. Bei der Kommunalwahl im September soll das Jahrhundertergebnis der Europawahl nicht nur bestätigt werden, nein, die Grünen sind felsenfest entschlossen, noch eine kräftige Schippe Volk drauf zu legen. Und dann wird die Koalitionsfrage hier in Köln völlig neu gestellt. Ich sehe es schon vor mir: Da kommen die Vertreter der anderen Splitter- und Kümmerparteien auf allen Vieren gekrochen und blasen den Schmuddelkindern von damals grünen Zucker in den mächtigen Hintern. Sie werden sich dabei ordentlich ins Zeug legen müssen. Denn wie spricht Barbara Moritz, die heimliche Königin der völkischen Herzen: „Wir werden nach der Kommunalwahl den Partner wählen, bei dem am Ende mehr Grün herauskommt.“ Genau! Entscheidend ist, was am Ende herauskommt. Aber kam das im Original nicht hinten raus? Egal! „Prost auf ein grünes Wunder!“ (BILD Köln)

Ohne dass ich jetzt allzu sehr auf die Euphoriebremse latschen will, aber angesichts der erbärmlich niedrigen Europa-Wahlbeteiligung von nur 40,1 Prozent erinnern mich die grünen Jubelarien irgendwie an die Sprüche der aufgeblasenen Kampftrinker in d'r Weetschaft op d'r Eck: „Boh, jestern widder 25 Bier in drei Stunden!“ Dass die Biere nur halb voll waren und der Alkoholgehalt bei 2 Prozent, spielt dabei keine Rolle. Hauptsache besoffen, und am Besten von sich selbst!