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salt and pepperUSA und Kanada im Frauen-Eishockey-Finale

Das Heu ist in der Scheune

Als die Eishockeyspielerinnen aus den USA 1997 mal wieder das Finale der Weltmeisterschaft gegen Kanada verloren hatten und niedergeschlagen in der Kabine saßen, fand ihr Coach Ben Smith, dass sie noch nicht deprimiert genug waren. Er zitierte sie vor die Kabine der Kanadierinnen und zwang sie, sich den Jubel und das Frohlocken des siegreichen Gegners anzuhören. Ein Jahr später beendete das Team um Kapitän Cammi Granato mit dem 3:1-Sieg im olympischen Finale die Vorherrschaft der Kanadierinnen, die bis dahin jeden Titel gewonnen hatten, den sie wollten.

Vor dem morgigen Endspiel des olympischen Turniers von Salt Lake City sind die Vorzeichen umgekehrt. Beide Teams haben nach wie vor noch nie gegen eine andere Mannschaft verloren als gegen den heutigen Gegner, auch wenn Kanada im Halbfinale gegen Finnland, Bronzemedaillist von Nagano, bis ins letzte Drittel dem Schrecken eines 2:3 hinterlaufen musste. Dann schossen Hayley Wickenheiser, deren Bedeutung im kanadischen Fraueneishockey etwa der von Mario Lemieux bei den Männern gleichkommt, und ihre Kolleginnen gegen einen erlahmenden Kontrahenten doch noch die nötigen Tore zum klaren 7:3-Sieg. Gegen die USA, die sich schon seit eineinhalb Jahren gemeinsam auf die Verteidigung ihrer Goldmedaille vorbereiten, haben sie nach Nagano zwar drei WM-Endspiele gewonnen, doch zuletzt war für Kanada nichts zu holen. Alle acht Vorbereitungsspiele gegen den siebenfachen Weltmeister entschied das Team von Ben Smith für sich, ebenso die restlichen 27 Matches gegen andere Gegner, das letzte im Halbfinale mit 4:0 gegen Schweden.

Das habe nichts zu bedeuten, insistiert Kanadas Coach Daniele Sauvageau, die von ihrem eigentlichen Job als Drogenfahnderin in Montreal freigestellt ist, um für das Mutterland des Eishockeys das zu schaffen, was Wayne Gretzky bei den Männern bewirken soll: olympisches Gold nach Haus zu bringen. „Es gibt keinen Grund, warum wir nicht gewinnen sollten, wir haben es in uns“, sagt auch Hayley Wickenheiser, die eine der populärsten Sportlerinnen in ihrer Heimat ist, wesentlich berühmter zum Beispiel als Eisschnelläuferin Catriona LeMay Doan oder Eiskunstläuferin Jamie Sale – zumindest bis vor kurzem. Um für die Spiele fit zu sein, trainierte Wickenheiser sogar eine Weile in Tschechien mit Männerteams. Die meisten der Nationalspielerinnen aus den USA und Kanada haben als Jugendliche mit Jungs zusammengespielt und waren meist viel besser als diese. Erst in einer Altersstufe, als körperliches Spiel an Bedeutung gewann, ergaben sich Vorteile für die männlichen Spieler. Bei den Frauen sind Bodychecks nicht erlaubt, was die meisten amerikanischen Spielerinnen albern finden, obwohl A.J. Mleczko aus dem US-Team positiv findet, dass diese Regel es Müttern erleichtert, ihre Töchter zum Eishockey zu schicken.

Ben Smith ist sich der Gefahr der langen Siegesserie wohl bewusst. Die meisten der letzten Spiele gegen Kanada seien „ein echtes Tauziehen“gewesen, warnt er, auch wenn sein Team immer gewann. „Ich weiß nicht, was unser Vorteil ist“, sagt Torhüterin Sarah Tueting, „unsere Stärke ist unsere Schnelligkeit, dass wir so lange zusammen sind und das Vertrauen auf junge Talente.“ Zwar hat auch Daniele Sauvageau ihren Kader etwas verjüngt, doch längst nicht so wie die USA, bei denen in der Vorrunde Nachwuchstalente wie Krissy Wendell (20), Julie Chu (19) und Natalie Darwitz (18) tragende Rollen spielten, während die Veteraninnen wie Cammi Granato, Jenny Potter oder A.J. Mleczko laut Tueting „besser als je zuvor“ sind.

Grund genug für Coach Smith, mäßigend einzugreifen. „Pats, Pats, Pats“ skandierend kam er kürzlich in die Kabine, wie üblich wusste erst einmal niemand, was er eigentlich meinte, bevor den Spielerinnen aufging, dass er auf die sensationelle Niederlage des haushohen Favoriten St. Louis Rams in der Super Bowl gegen die New England Patriots anspielte. Ben Smith hat eine lange Tradition darin, seine Spielerinnen zu verwirren. Als sie 1995 vor seinem allerersten Spiel als Coach eine der üblichen langen Motivationsansprachen erwarteten, sagte er bloß: „Das Heu ist in der Scheune. Auf geht’s.“ Nach einigem Rästelraten einigte sich das Team darauf, er meine, man habe gut gearbeitet und brauche das jetzt bloß noch umzusetzen. Karyn Bye führt sogar ein Büchlein mit Zitaten des Coaches, dessen Vater einst den Senatorenposten von John F. Kennedy übernahm, als dieser Präsident wurde. Gern erzählt Smith, wie er als Kind Filme im Weißen Haus anschaute und JFK Popcorn servierte. Seine Anekdoten sind nicht selten der Filmgeschichte entlehnt, zum Beispiel seinem Lieblingsstreifen „Butch Cassidy and the Sundance Kid“, mit dem die jungen Damen zunächst gar nichts anfangen konnten. Die meisten haben sich den Streifen mittlerweile angeschaut.

Eine Pressekonferenz in Salt Lake City eröffnete Ben Smith kürzlich mit Zitaten von W.C. Fields. Doch den würde selbst er seinen Spielerinnen nicht zumuten. „Die würden denken, das sei eine Kekssorte.“

MATTI LIESKE

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