rund um den wannsee: Flucht und Absturz in Neukölln
Ah, aaah, aaaaaaah ...
Raus aus Neukölln und ab nach Mallorca: Wir liegen am Wannseestrand und blicken uns tief in die Augen. Obwohl, so sicher kann man das gar nicht behaupten, weil wir Sonnenbrillen tragen und unsere Augen überhaupt nicht sehen können. Vielleicht hat sie ja ihre geschlossen und schläft. Träumt den Alptraum, dass hier jede zweite auch diesen neuen hellblauen Bikini von H & M trägt. Den Alptraum, der gar keiner ist, sondern bittere Realität. Ich habe die Augen auf jeden Fall offen. Weit offen, denn in ihrer Brille spiegelt sich eine Strandmieze, die ich so prima anglotzen kann – eine, wie ich finde, ziemlich gerissene Art der Treulosigkeit. Ein schöner Tag hier.
„Ein schöner Tag“, findet auch die ältere Dame, die neben ihrem Gatten sitzt, während sie sich, 50 Kilometer vom Wannsee entfernt, von der anderen Seite her der Stadt nähern, „findest du nicht auch, Vati?“
„Jibt’s no’ hart jekochte Eier, Mudding?“
„Jede Menge – wart, ich pell dir gleich eins. Mit Senf oder Remoulade?“
„Sönf!“
„So, Vati – hier hast du ...“
„Pass uff! Du schmierst mir ja janz voll!“
„Nu hab dich doch nicht so, Schnutzi!“
„Hatt ma’ kurz ’en Steuerknüppel – ick muss mir mal ’ie Scheiße vonner Hose wüschen!“
„Is gut, Vati.“
„Einfach jrade halten ... wie bei mir – is dit denn so schwer?“
„Du machst dich so dick ...“
„Ma’ ick nüsch!“
„Doch – extra dick machst du dich!“
„Apropos dück: Bevor wa landen, ziehste dir aber wat Vanünftjet an ... Torte ... Mutti!“
„Gefällt dir der Bikini nicht?“ „Den hat do’ bestümmt jetzt jede Zweete!“
„Was ist denn das für ein Ghetto da unten?“ „Ick ’loube, Neukölln – da bünnick uffjewachsen!“
„Sieht ja übel aus ...“
„Jibt’s no’ Kaffe?“
„Ja, Vati – wart mal ...“
„Hatt ma’ Steuer – ick jieß ma selber ein ... ah, aaah, aaaahh, is dit heiß, Scheiße, is dit heeii...“
„Hat das nicht gerade geknallt?“, frage ich am Wannseestrand. Ich bekomme keine Antwort – sie schläft tatsächlich. Ich lasse sie schnarchen und schaue mir so lange die andere Strandmieze an: Frauen sind alle gleich angezogen. Trotzdem war das eine Superidee heute, hierher zu kommen – bei so einem Wetter fällt einem zu Hause ja doch nur die Decke auf den Kopf. ULI HANEMANN
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