reisetipp: Township-Tour
Zu den begehrten touristischen Attraktionen Südafrikas gehören inzwischen Township-Touren, die zwischen Strand und Museum, Wildreservat und Weinroute einen Einblick in die geheimnisvolle Welt der Schwarzen erlauben. Essen mit einer echten afrikanischen Familie, ein Besuch in der Kräuterapotheke eines Sangoma – das interessiert nicht nur Touristen, sondern auch weiße Südafrikaner, die oft noch nie jene Grenze überschritten haben, die weiße und schwarze Wohnorte trennt, selbst wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen. Bei der nächsten Party kann man dann beiläufig erwähnen, wie nett es neulich im Township war und wie aufregend die Eindrücke einer ganz anderen Welt sind.
Die von Western Cape Action Tours (WECAT) in Kapstadt angebotenen Stadtrundfahrten eignen sich nicht für fröhliche Expeditionsberichte. Nachdem man einen Tag in Begleitung von Ex-Kombattanten verbracht hat, die die Besucher durch die Geschichte und Gegenwart Kapstadts führen, bleibt zunächst vor allem der Eindruck von ihrer Großzügigkeit, Würde und Unabhängigkeit. Im Oktober 1997 haben Veteranen des Umkonto we Sizwe, des bewaffneten Flügels des ANC, das Projekt als Selbsthilfemaßnahme gegründet. Sie wollten das Schweigen und die Isolation durchbrechen, unter denen viele demobilisierte Freiheitskämpfer infolge von Arbeitslosigkeit und Traumatisierung leiden. Dazu kam die Erfahrung, dass die eigene Geschichte nur wenig Platz im neuen Südafrika hat, trotz Wahrheitskommission und einer boomenden Bewältigungskultur. Grundlage der Touren ist die Geschichte der Unterdrückung und des Widerstands in Kapstadt, die aus einer radikal subjektiven Perspektive erzählt wird.
Die Vermittlung der eigenen Erfahrung und Wahrheit dient nicht nur der Information von Schulklassen und Touristen, sondern ist für die Mitglieder des Projekts Teil eines Prozesses der Auseinandersetzung mit Leid und Schmerz. „Wir sind keine Touristenführer“, sagen Yazir Henry und Nkululeko Booysen. Sie wollen mit ihren Touren Grenzen überschreiten, geographische Grenzen, historische, intellektuelle und vielleicht auch emotionale Grenzen, die das Leben in der Stadt auch heute noch kennzeichnen. Eisenbahnlinien, Autobahnen, Mauern und Industrieanlagen trennen sichtbar Stadtteile und die damit verbundenen Erfahrungen, Geschichten und Wahrheiten.
Zu Fuß und im Auto werden historische Plätze besucht, wie das Passbüro in Langa, aber auch Werkstätten und Läden, die einen Teil der lebendigen und kreativen Kultur der heutigen Townships zeigen. Und dann eben auch diejenigen Orte politischer Auseinandersetzungen, an denen keine Gedenktafel an die Toten erinnert, daran, dass hier Panzerfahrzeuge Kinder gejagt haben, dass vor 15 Jahren in den Straßen Krieg geherrscht hat. Graffiti und Einschusslöcher in Gartenmauern sind die einzigen Zeichen, die geblieben sind. GESINE KRÜGER
Kontakt: Nkululeko Booysen, Western Cape Action Tour Project (WECAT), P.O. Box 3168, Grand Central, Cape Town 8000, Rep. of South Africa, Fax: 27-21-4 61 43 87, Tel.: 27-21-4 61 13 71
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