reingeluschert: Tagebuch eines armen Bankiers: Cum-Ex-Anklage gegen Olearius
Liebes Tagebuch, welch niederschmetternde Nachricht. Jetzt erhebt die Kölner Staatsanwaltschaft auch noch Anklage gegen meine Person. Das fährt mir in die Glieder. Von bis zu zehn Jahren Haft schreibt die Presse, die mich längst verurteilt hat. Soll ich dann meinen neunzigsten Geburtstag im Gefängnis Fuhlsbüttel verbringen?
Bei aller Verbitterung: Ein Mann wie ich muss aufrecht bleiben, ich will die Hoffnung nicht fahren lassen. Gauweiler versucht mich zu beruhigen, wie es wohl seine Aufgabe als Anwalt ist. Er rät mir erneut, nicht einzulenken, sondern standhaft und lässig meine Ansprüche zu verteidigen, nicht einzuknicken. Ich will es versuchen. Und doch, es nagt: Bin ich nicht bereits mit meinem privaten Vermögen eingestanden für die Bank, als wir die Steuern doch noch zurückerstatten mussten? Obwohl uns zuvor die gewissenhaften Hamburger Finanzbeamten immer treu erklärten, dass das nicht nötig sei und wir uns rechtens verhielten?
Zur niederschmetternden Nachricht gehört auch: Die Staatsanwaltschaft hat erneut die Nachricht der Anklage sofort an die Medien weitergereicht. Wen wundert es! Das Persönlichkeitsrecht ist ihr kaum etwas wert. Wer das Tagebuch eines Mannes in den Schmutz zieht und an die Journalisten weiterreicht, kann kein ehrbarer Vertreter dieses Staates genannt werden. Hatte nicht das Gericht klar verboten, weiter mein Privatestes an die Öffentlichkeit zu zerren? Welch boshaftes Vergnügen die Staatsanwaltschaft dabei wohl hat ...
Und ich weiß es ja, ich sehe es ja: Die Richter dort am Rhein sind vom gleichen Schlag, gnadenlos und voreingenommen: Christian haben sie schon verurteilt; neulich habe ich ihn getroffen und meinen Vertrauten, meine rechte Hand, nicht wiedererkannt: Kaum wagt er noch zu hoffen, die Haftstrafe von mehr als fünf Jahren abzuwenden. Die rheinischen Richter hoffen auf den Applaus der Öffentlichkeit.
Wie lobe ich mir da die hanseatische Vertraulichkeit; hier, wo das persönliche Gespräch noch etwas zählt, wo das Private privat bleiben darf. Wo nicht jeder Freund den anderen ausliefert. Scholz ist ein gutes Exempel: ein Ehrenmann. Kein Wort aus unseren Treffen hat er verlautbaren lassen. Ich habe bereits am Dienstag versucht, ihn zu kontaktieren, was in dieser Sache meinerseits zu unternehmen sei. Ohne Erfolg bisher, was ein Unglück ist: Scholz hört sonst aufmerksam zu und stellt kluge Fragen.
Ich meine aber sein zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass ich mir keine Sorgen machen brauche. Das kommt mir entgegen, auch ich will niemanden kompromittieren. Ich glaube fest, dass Scholz das weiß und richtig eingeschätzt hat.
Ich werde nun einen ausgedehnten Spaziergang durch meinen Garten zur Elbe machen und meine Gedanken ordnen. Vielleicht will mir doch noch ein Sozialdemokrat einfallen, den ich mit Unterlagen armieren kann. Nun, da Johannes Kahrs nicht mehr verfügbar ist, sind meine Möglichkeiten jedoch eingeschränkt.
Wer in dieser Stadt hat Persönlichkeit genug und nicht vergessen, wie ich stets da war für die Parteien? Ist es Tschentscher, ist auf ihn Verlass? Über Jahrzehnte habe ich gestiftet und gespendet und geholfen, der SPD, der CDU, der FDP. Die Spende von 2016 hat die SPD mit Worten geschmäht. Das Geld aber hat der Ortsverband bis heute behalten. Ich werde sie erinnern. Loyalität ist keine Einbahnstraße!
Lotta Drügemöller, André Zuschlag
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