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Archiv-Artikel

rauchen gegen staatsräson von JOACHIM FRISCH

Als ich aufgehört habe mit dem Rauchen, kostete eine Schachtel Gauloises zwei Mark. Ich hätte es mir leisten können, aber es war langweilig. Rauchen war normal, militante Nichtraucher galten als Sonderlinge und wurden müde belächelt, in einschlägigen Gaststätten gar böswillig mit Qualm bepustet. Rauchen war gewöhnlich, deshalb habe ich es mir abgewöhnt. Ausgerechnet jetzt, da meine Lungen vollständig regeneriert sind und die Bronchien morgens nicht mehr pfeifen, muss ich wieder mit dem Rauchen anfangen, denn es weht ein neuer Wind, der mich dazu zwingt.

Er weht aus Westen über den Atlantik, ein scharfer Wind der Intoleranz, der Bevormundung, der Disziplinierung. Nun ist er hier angekommen. Rauchen auf Schulhöfen und in Schulen soll in weiten Teilen des Landes verboten werden, ebenso Alkohol auf Elternabenden und Schulfesten. Während vernünftige Menschen am Tresen herumsaßen und blauen Dunst produzierten, marschierten nämlich die Belächelten und Bepusteten durch die Institutionen, und jetzt sitzen sie in den Gesundheits- und Regierungsbehörden und zahlen es den Pustern heim.

Meine Loyalität ist gefragt. Nie wollte ich zu den Spaß- und Spielverderbern gehören, zu denen, die anderen erzählen, was gut und was schlecht für sie ist, um ihnen dann Ersteres aufzuzwingen und Letzteres zu verbieten. Nichtraucher sein in einer Welt, in der Raucher verfolgt und erniedrigt werden, ist Opportunismus. Weil ich kein Opportunist sein will, geht Nichtrauchen nun nicht mehr.

Klar, Rauchen ist teuer und ungesund. Aber es gibt niemanden, der das nicht weiß. Warum also die Bevormundung? Eine neue, moralistische und genussfeindliche Prohibitionsbewegung ist im Anmarsch, sie muss gestoppt werden, sonst kommt anschließend der Alkohol, dann der Kaffee dran, schließlich der Gummibär. Rauchen wird wieder Revolte, Zeichen des Widerstands, Insignie des Rückgrats. Wohl oder übel werde ich wieder an der bitteren Fluppe saugen müssen, aus Selbstachtung und aus Solidarität mit Rauchern, Weinliebhabern, Kaffeetrinkern und Gummibärenfreunden.

Vergilbte Vorhänge und Tapeten, eine stinkende Wohnung, das beengende Gefühl in der Brust beim Aufwachen, all dies wird sich wieder einstellen, dann das Röcheln und Pfeifen der Bronchien, der widerliche grünliche Auswurf, schließlich Raucherbein und Lungenkrebs.

Schuld hat der Staat. Ich habe Kontakt zu meinem amerikanischen Anwalt aufgenommen, der bereits dabei ist, die Klage zu formulieren. Ich erwarte folgendes Urteil: „Im Namen des Volkes – der Beklagte (i. e. die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch etc. pp.) hat dem Kläger keine andere Wahl gelassen, als giftige Substanzen zu inhalieren, indem der Beklagte das Nichtinhalieren jener giftigen Substanzen qua Staatsräson faktisch zur obrigkeitshörigen Attitüde erklärt hat, wodurch der Nichtkonsum für den Kläger einer Selbstverleugnung seiner autonomen und mündigen Persönlichkeit gleichkäme, was nicht zumutbar ist. Der Staat hat als Verursacher die finanziellen und gesundheitliche Folgekosten in Höhe von 80 Millionen Euro zu tragen.“

Sobald das Urteil rechtskräftig ist, gebe ich einen aus.