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■ NEU IN DER SCHAUBURG:"Zu schön für Dich !" von B. Blier

Im französischen Kino ist Gerard Depardieu immer noch der Mann und Carole Bouquet eine der schönsten Entdeckungen der letzten Jahre. Voila: ein Filmpaar wie Richard (Gere) und Julia (Roberts)! Denn dies ist eine der stabilsten Konventionen des Kinos: die Schönen lieben sich, der Rest tritt zurück.

Wie groß diese Macht der Schönheit ist, kann jeder Zuschauer an seiner eigenen Irritation merken, wenn in „Trop belle pour toi!“ der schöne Mann die schöne Frau mit einer grauen Maus betrügt. Alle anderen Regeln des Kinos sind von anderen schon so systematisch durchbrochen worden, daß surreale Szenen, vermischte Zeitebenen, assoziative Montage oder direkt in die Kamera sprechende Schauspieler zu gebräuchlichen Konventionen geworden sind.

Regisseur Bertrand Blier spielt in seinem Film auch virtuos mit all diesen Techniken des modernen Kinos, aber wirklich gewagt ist in seinem Film die Abfuhr für die Schönheit.

Depardieu und Bouquet sind ein wohlhabendes, kultiviertes Ehepaar mit zwei Kindern, aber er verliebt sich in seine pummelige Sekretärin, die so alltäglich aussieht wie du und ich. Die Dreiecksgeschichte, einer der ewig variierten Urplots des Kinos, bekommt so einen spannenden neuen Dreh. Die Schönheit wird uns bald suspekt, sie wirkt kalt: auch wenn sie wirklich unter der Affaire leidet, kann uns Carole Bouquet nicht rühren, sie trägt ihre Schönheit wie eine Last mit sich herum. Das häßliche Entlein Josiane Balasko dagegen strahlt von Minute zu Minute mehr Wärme und Menschlichkeit aus.

Blier erzählt die Geschichte nicht chronologisch, er setzt die Szenen als „eine Folge von Gefühlen und Begierden“ aneinander. Der Zuschauer ist immer ein wenig irritiert, weil er nicht genau weiß, wo in der Geschichte er sich gerade befindet — nur die Emotionen weisen den Weg. Blier stellt die romantischen Klischees witzig, zärtlich und sehr klug in Frage. Auch die Schönheit der Musik kommt dabei nicht ungeschoren davon: Franz Schuberts romantische Musik spielt in dem Film die vierte Hauptrolle. Sie wird in ihrer ganzen Pracht präsentiert, um dann böswillig in ihrer Gefühlsseligkeit bloßgestellt zu werden. Bei der brillianten Schlußpointe sind Depardieu und Schubert gemeinsam die Dummen. Wilfried Hippen

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