■ TOUR D'EUROPE
: "Zertrampelt die Judenkapitalisten"

Der Historiker Ossip K. Flechtheim über die Annäherung zwischen Weimarer Kommunisten und Nationalsozialisten infolge des Ruhrkampfes 1923:

Erst die nach dem Antifaschistentag in der bürgerlichen Presse begonnene Diskussion über das Diktaturproblem machte die Kommunistische Internationale stutzig. Diese antwortete mit zwei Taktiken. Zunächst glaubte sie, den Faschisten die nationale Karte entwinden zu können.

So schrieb der ungarische Kommunistenführer Rakosi damals: „Eine kommunistische Partei muß an die nationale Frage ihres Landes herantreten. (...) Die deutsche Partei hat diese Frage mit glücklicher Hand angeschnitten. (...) Sie ist dabei, den deutschen Faschisten die nationale Waffe aus der Hand zu schlagen.“ Radek hielt vor dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationalen am 20.6. eine programmatische Rede anläßlich der Erschießung des Nationalsozialisten Schlageter; er führte aus: „Die Geschicke dieses Märtyrers des deutschen Nationalismus sollen nicht verschwiegen, nicht mit einer abwertenden Phrase erledigt werden. (...) Schlageter, der mutige Soldat der Konterrevolution, verdient es, von uns Soldaten der Revolution männlich-ehrlich gewürdigt zu werden (...) Wir werden alles tun, daß Männer wie Schlageter, die bereit waren, für eine allgemeine Sache in den Tod zu gehen, nicht Wanderer ins Nichts, sondern Wanderer in eine bessere Zukunft der gesamten Menschheit werden.“

Radeks Rede wurde der Ausgangspunkt für die sogenannte Schlageter-Kampagne, in deren Folge es zu literarischen Waffengängen zwischen Kommunisten und Nationalisten kam. Die Spalten der „Roten Fahne“ wurden dem völkischen Grafen Reventlow geöffnet. Eine Broschüre wurde veröffentlicht, in der Aufsätze von Radek und Moeller von den Bruck, dem Verfasser des „Dritten Reiches“, nebeneinanderstanden. (...) Ruth Fischer bemühte sich besonders um die nationalistischen Studenten: „Das deutsche Reich kann nur gerettet werden, wenn Sie meine Herren von der deutsch völkischen Seite, erkennen, daß Sie gemeinsam mit den Massen kämpfen müssen, die in der KPD organisiert sind. Wer gegen das Juden-Kartell aufruft ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. Tretet die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie!“ Die Zentrale stoppte erst, als manche Bezirksgrößen auf den Plakaten neben dem Sowjetstern das Hakenkreuz brachten und zu Streitgesprächen zwischen völkischen und kommunistischen Rednern einluden.

Aus: Die KPD in der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1969, S. 175ff.