: "Was passiert im Jahr 2020?"
■ Unions-Politiker warnen vor Verunsicherung durch Rentendiskussion / Geißler: Nutznießer solcher Unwahrheiten sind dieRadikalen von links und rechts / BfA sieht heute 30jährige im Alter solvent
Bonn (AFP/AP/taz) – Die Rentendiskussion, angezettelt vom sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, erschütterte gestern weiterhin die Bonner Gemüter. So wandte sich Heiner Geißler, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, entschieden gegen Biedenkopfs Darstellung, die Renten der unter 40jährigen seien nicht mehr sicher. Solche „Unwahrheiten“ führten zu einer „unvertretbaren Verunsicherung der Bevölkerung“ und gefährdeten die Stabilität der Demokratie. Nutznießer seien nur die Radikalen von links und rechts. Die Union, so Geißler, halte am Generationenvertrag und der beitragsbezogenen Rente fest. Die Forderung nach einer Grundrente sei bei der letzten Rentenreform von allen Parteien verworfen worden. Ein Umstieg von der Leistungs- auf eine Einheitsrente sei auch „politisch und ökonomisch unmöglich“, weil eine Generation doppelt belastet würde. Die Renten seien keine Gnade des Staates, sondern „hart erarbeitete Ansprüche“.
Geißler räumte ein, daß sich das Verhältnis der Beitragszahler und Rentner vom Jahr 2000 an verschlechtern wird. Dennoch seien die Renten durch zahlreiche Maßnahmen langfristig gesichert.
Auch Finanzminister Theo Waigel ging gestern davon aus, das Rentensystem sei „bis weit über das Jahr 2000 hinaus gesichert“. In einem Interview mit dem Fernsehsender n-tv sagte er, die heutigen Rentner brauchten sich keine Sorgen zu machen. „Natürlich müssen wir darüber nachdenken, was passiert im Jahre 2020“, fügte der Finanzminister dann noch hinzu. – Auch nach Angaben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ist die Rente „nicht gefährdet, nicht für die heutigen Rentner und nicht für die jetzt 30jährigen“. BfA-Präsident Herbert Rische schränkte jedoch ein, die Wirtschaftsentwicklung sei „ein tatsächliches Risiko für die Rentenversicherung“. Längere Lebensarbeitszeiten und Beitragssätze über 20 Prozent seien zu erwarten. „Wir werden nicht verhindern können, daß die Deutschen wieder länger arbeiten. Ich kann mir vorstellen, daß auch ein 70jähriger noch Beschäftigter und damit Beitragszahler sein kann, wenn er will“, sagte Rische.
Dagegen betonte der Leiter des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, Meinhard Miegel, wenn in 25 Jahren auf einen Beitragszahler ein Rentner komme, müßten bis zu 65 Prozent des Bruttolohns plus Steuern für die soziale Sicherung aufgebracht werden. Er schlage statt dessen eine Grundrente von 40 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens vor, etwa 1.200 Mark im Monat, die über das Steueraufkommen finanziert werden. Damit könnte das schwächste Drittel ohne zusätzliche Belastung mit unterstützt werden. Die Besserverdienenden könnten sich privat zusätzlich versorgen.
Siehe auch Kommentar Seite 10
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