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■ Die Anderen"Journal du Dimanche", "Le Monde", der "Observer" und "La Repubblica" schreiben zur Veröffentlichung der Videobänder über die Vernehmung von US-Präsident Bill Clinton und mögliche Auswirkungen

Das „Journal du Dimanche“ aus Paris schreibt zur Veröffentlichung der Videobänder über die Vernehmung von US-Präsident Bill Clinton: Die Mitglieder des Justizausschusses des Repräsentantenhauses haben auf den atomaren Knopf gedrückt, indem sie beschlossen, auf allen Fernsehkanälen die Aussage von Präsident Bill Clinton vor der Grand Jury zu verbreiten. Sie nahmen das Risiko auf sich, eine Implosion der Demokratie, zumindest deren Idee zu bewirken. Die republikanischen Abgeordneten des Kongresses glaubten, das – politische – Todesurteil von Bill Clinton zu unterschreiben, aber sie haben ihr eigenes Todesurteil und das eines ganzen repräsentativen Systems beschlossen.

„Le Monde“ aus Paris meint dazu: Das amerikanische Volk kann also in allen Medien sehen, wie sein Präsident zögert, sich herausredet, lügt, sich aufregt, den Saal verläßt. Diesmal handelt es sich nicht mehr um eine inquisitorische Befragung, sondern um eine öffentliche Hinrichtung! Clinton wird, nachdem er im Starr-Bericht ausgezogen wurde, per Video an den modernen Pranger gestellt. Die republikanische Mehrheit des Kongresses ergänzt so die Verfolgung durch den Staatsanwalt Starr um eine Verneinung des Rechts. Clinton steht bislang noch nicht einmal vor Gericht, und es steht auch noch gar nicht fest, daß es zu einer Anklage kommt. Er wird aber schon verurteilt.

Der „The Observer“ aus London sieht eine gelähmte USA und fordert Europa angesichts der weltweit drohenden Rezession auf, nun selber zu handeln: Die Lähmung hätte angesichts der sich verdichtenden Anzeichen einer weltweiten Rezession zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Die Welt braucht die USA, um Finanzhilfe für in Not geratene Regierungen zu leisten, den IWF zu finanzieren und auf einer gewissen koordinierten Wirtschaftsexpansion zu bestehen. Wenn die USA sich aber selbst an den Rand manövrieren, dann fällt Europa besondere Verantwortung zu. Die EU wird verstärkt eigenständig handeln müssen – mit Hilfe für Rußland, Rüstungskontrollen im Irak, Eingreifen im Kosovo und gutem Zureden zur Konjunkturbelebung in Japan. Sexuelle Peinlichkeiten in Washington haben politische Konsequenzen für Brüssel: Die Stunde der EU ist gekommen. Sie darf es nicht verpatzen.

„La Repubblica“ aus Rom schreibt: Seit acht Monaten haben trotz der Enthüllungen über Monica Lewinsky die Ergebnisse der Meinungsumfragen stets gezeigt, daß die Wähler alles in allem auf der Seite des Präsidenten stehen. Aber mit Blick auf den schmutzigen Montag meint jeder zweite Amerikaner, daß sich Clinton jetzt mit dem Gedanken eines Rücktritts befassen sollte. Für das Weiße Haus ist das eine ganz schlechte Nachricht.

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