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"Gewalt nur aus der Ferne"

■ Ein Gespräch mit Tim Robbins über seinen Film "Dead Man Walking"

taz: In Ihrem Film „Dead Man Walking“ verzichten Sie auf die Argumente der Befürworter und Gegner von Hinrichtungen. Reicht Ihnen das als Ausdruck Ihrer eigenen Haltung?

Tim Robbins: Der Film zeigt meine Verantwortung. Und er spiegelt wirklich beide Seiten. Ich selbst hätte den Film aber nicht machen können, wenn ich für die Todesstrafe wäre. Ich bin dagegen: Sie ist moralisch korrupt. Ich will nicht akzeptieren, daß diese Grenze überschritten wird, daß ein Mensch getötet wird, ob nun durch den Staat oder durch einen kriminellen Gewaltakt.

Das beherrschende Stilmittel bei der Darstellung von Gewalt ist bei Ihnen Distanz. Warum zeigen Sie die Tat, die zur Verurteilung geführt hat, stets aus der Ferne?

Weil ich oft Gewaltakte gesehen habe, und zwar immer von fern. Dann sind sie besonders erschreckend und besonders real. In den meisten Filmen sehen wir jedes Detail: Wir sehen, wie das Messer in den Körper eindringt, wir sehen das Stechen und Schießen. Die Gewalt wird in slow motion ausgemalt, jeder einzelne Blutstropfen wird ausgekostet. Ich finde das furchtbar, denn es gibt dem Terror eine romantische Färbung. In meinem Film wollte ich Gewalt aus der Entfernung zeigen. Die Schauspieler haben zwar auch in diesen Szenen mit ganzer Kraft agiert, sie waren voll dabei – aber der wahre Zeugenblick kommt aus der Distanz, aus der man sich dann vorstellen muß, was für entsetzliche Dinge geschehen.

Susan Sarandon und Sean Penn bieten ein großartiges, sich ineinander spiegelndes Schauspiel. Wie hat das funktioniert? Haben Ihnen bei der Regie die eigenen Schauspielerfahrungen geholfen?

Das sind einfach fantastische Schauspieler, mit denen ich kaum proben mußte. Wir alle mögen Proben nicht besonders. Natürlich haben wir jeden Morgen durchgesprochen, was gedreht wird, aber richtig geprobt haben wir nicht. Es ist einfach ein großes Spiel. Ich weiß nicht, ob die Leute wirklich begreifen, wie schwer Susans Rolle ist. Ich als Schauspieler weiß es sehr gut. Sie hat nie etwas wirklich Aktives zu tun, sie muß stets nur reagieren. Sie ist so etwas wie das Auge des Zuschauers, sie sieht für das Publikum. Sie macht unsere Erfahrungen, sie ist unsere Seele. Versuchen Sie mal, das zu spielen! Das ist schon eine harte Sache.

Hoffen Sie, mit Ihrem Film in die aktuelle Debatte um die Todesstrafe eingreifen zu können?

Möglicherweise, wenn dieser Film eine Tür öffnen kann, durch die man eine neue Sicht bekommt, einen Blick auf die Besonderheiten, auf Mütter, auf Brüder. Vielleicht kann der Film die Gefühle der Menschen aufschließen, Fragen aufwerfen. Ganz sicher hat er keine Antworten und Lösungen zu bieten. Aber das Wichtige ist doch, daß man überhaupt ins Gespräch darüber kommt. Interview: Knut Elstermann

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