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"Des Lagers vergnügliche Feier"

■ betr.: "Der Weg des Pfarrers", (Peter Turrinis Kolportage "Tod und Teufel" in Wien), taz vom 19.11.90

betr.: „Der Weg des Pfarrers“, (Peter Turrinis Kolportage „Tod und Teufel“ in Wien),

taz vom 19.11.90

Sehr geehrter Herr Bandhauer, ich las in der taz Ihre Rezension. Sie schreiben darin: „Zur Problematik, daß die Darstellung von Sexualität in unserer Gesellschaft als anstößiger empfunden wird als die Darstellung von Gewalt ist Palitzsch nicht mehr eingefallen als die Reproduktion dieser Verlogenheit.“ Die Beobachtung ist richtig und gut auf den Punkt gebracht.

Daß das nur von „unserer“ Gesellschaft so empfunden wird, stimmt nicht. Fast auf der ganzen Welt gilt die Darstellung sexueller Handlungen als peinlich. Aus der Art, wie Sie es erwähnen, könnte man heraushören, daß das anders werden sollte. Könnte es nicht auch sein, daß etwas, das so viele Menschen (wohl die meisten) empfinden, gute Gründe hat? Könnte es vielleicht sein, daß Menschen ihr Sexualleben als etwas Privates behalten möchten, etwas, wo der Große Bruder mal nicht hinschaut?

Ich habe 30 Jahre in Italien gelebt und bin noch nicht lange wieder in Deutschland. Es fällt auf, daß hier Sex schon zur Leistung verkommen zu sein scheint. Die meisten Menschen flechten mehr oder minder geschickt in ihre Reden ein, daß sie ganze wilde Stiere beziehungsweise scharfe Puppen seien. Eine von Goethes „verlogenen“ Umschreibungen war: „Des Lagers vergnügliche Feier“. Das selten gebrauchte Wort vergnüglich läßt an gelassenen Genuß denken, nicht wahr? Und nicht an Leistung oder gar Öffentlichkeit. Karin Maniglia, Hamburg

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