press-schlag : Der BVB beschert seinen Fans österlichen Frieden
Der Herr Elber fällt von selber
Freund Fritz Eckenga nahm seine Freundin / und brauste sie zum Ski nach Zermatt. / Das war sehr gut, auch weil dieser Freund in / Dortmund ein Häuschen mit Hinterland hat, / im Grünviertel Gartenstadt.
Eine Stunde vor dem Spiel Borussia Dortmund gegen Bayern München wurde es das erste Mal eng: Das Taxi wartete, die freundliche, aber argwöhnische Nachbarin meines Gastgebers, die den Haustürschlüssel verwahrte, wollte wissen, zu wem ich hielte, ich zeigte auf die kleine schwarz-gelbe Nadel am Revers, bekam daraufhin den Schlüssel, öffnete mir, warf Gepäck ab, fand auf dem Küchentisch die Karte für Borussia gegen Bayern – und einen kurzen Brief: „Dein Auftrag – drei Punkte.“ Mit Percy Stuart sagte ich: „Gentlemen, ich werde mein Möglichstes tun“, dann ging die Jagd gleich weiter: In der Gaststätte „B-Trieb“ auch als Nichtbiertrinker das rituelle Glückspils und trotz der grundwahren Regel „Frikadelle ist Vertrauenssache“ eine Bulette nehmen und so Gelbes mit Schwarzem verbinden, dann zum Stadion stapfen, im Aggregatzustand Fußball-ist-Nervosität, den Kopf voller Erinnerungen: Am 1. Oktober 1995, zum ersten Mal überhaupt im Westfalenstadion, sah ich, damals mit Gastgeber Eckenga auf der Südtribüne stehend, das 3:1 gegen Bayern München. So lange ist die Initialzündung einer Liebe her, die seitdem mein Portemonnaie plündert, wie sie mein Leben bereichert.
Siebeneinhalb Jahre später werden direkt vor dem Spiel die Stehplätzler auf der Dortmunder Südtribüne von einem schreiheiseren Laudator als „die besten Fans der Liga“ geehrt. Während ich mich noch frage, was mögliche Kriterien bei der Wahl zur besten Anhängertruppe sind – maximale Hingabe? Oder doch bloß die geringste Dichte an Idiotendelikten? –, sucht sich nach dem Gewinn der Seitenwahl Bayern-Kapitän Oliver Kahn für die erste Halbzeit das Tor vor genau dieser Südtribüne aus. Ein mittlerer Bananenregen geht auf ihn herab, erzeugt von Anonymfeiglingen der Sorte alle gegen einen. Kahn entfernt das an ihn verschwendete Obst, aus der Südtribüne hört man dumpfes: „Uuh-uuh-uhh!“, später auch, wie in jedem Bundesligastadion: „Arschloch! Wichser! Hurensohn!“ Nichts gegen Beschimpfungen, aber so einfallslose? Bah. Wem nichts einfällt, der kann sich von Käpt’n Haddock inspirieren lassen: „Sie Gurkensalat!“ oder „Sie Logarithmus!“ sind doch schon sehr schön, darauf kann man aufbauen. Das kaugummimahlende Mehr-leisten!-Monstrum Kahn ist mir nicht sympathisch, aber darauf kommt es nicht an: Gegen das, was sich mit der Anmutung eines Lynchmobs formiert, muss man alles verteidigen.
Der Ausgang des Spiels ist bekannt, Dortmund gewinnt durch einen von Amoroso kurz nach seiner Einwechslung verwandelten Handelfmeter mit 1:0. Postwendend lässt sich Bayern-Stürmer Giovane Elber mehrfach theatralisch im Dortmunder Strafraum fallen, hat Glück, dafür kein Schwalbengelb zu sehen, pöbelt noch und macht sich zum Zweizeiler: Nur die allerdümmsten Elber / fällen sich im Strafraum selber. Und wird deshalb wo seine Fußballkarriere beenden? Genau: in Wuppertal-Elberfeld, harr harr.
Am Ende stiefeln die Dortmunder Anhänger zufrieden von dannen. Munter und zahlreich zwitschert der Freund im Gefieder ihnen zu, Flieder duftet, Magnolien blühen, und das Glück wird allein getrübt durch den Anblick zahlreicher Herren, die das Urinieren in die Rabatten für anbietbar halten. Insgeheim widme ich meinen Nachhauseweg dem Ringen gegen die öffentliche Harnschleuderei – so werde auch ich noch zum Ostermarschierer. Im Kühlschrank meines Gastgebers finde ich für die unterwegs noch besorgte Ritualbratwurst ein Glas mit der Aufschrift „Schwerter Senfmühle“. Ich ändere sie in „Schwerter zu Senfmühlen!“, tunke ein, und dann ist endlich Frieden.
WIGLAF DROSTE