press-schlag : Regenbogen über der Südkurve
Trotz allem – es gibt sie noch, die Anhänger von Borussia Dortmund. Seit Anfang des Jahres auch den schwul-lesbischen Fanklub „Rainbow Borussen“
Schwule Fußballer gibt es – zumindest im Kino. Das Ruhrgebietsepos „Männer wie wir“ zeigt seit zwei Wochen detailliert die fußballerischen Qualitäten homosexueller Männer. Aber gibt es auch schwule und lesbische Fans? Einige BVB-Fans trafen sich in einem Chatroom der schwulen Community, gründeten im Februar dieses Jahres den Fanclub „Rainbow Borussen“. Inzwischen hat der eingetragene Verein 18 Mitglieder, davon drei Frauen. Zweimal im Monat wird ein Stammtisch abgehalten, man trifft sich zu Kegelabenden und eine Stunde vor jedem Heimspiel in einer stadionnahen Kneipe. Und die Fans von den Rainbows können auch aktiv Fußball spielen. Auf dem Turnier des 1. SC AufRuhr, eines schwul-lesbischen Sportvereins, belegten sie den vorletzten Platz.
Es geht dem Fanclub aber nicht nur um eine nette Freizeitgestaltung seiner Mitglieder. Der Verein hat auch ein politisches Anliegen. In der Satzung steht, dass er für ein gleichberechtigtes Miteinander von Menschen eintritt, sich gegen Diskriminierung, besonders auf Grund der sexuellen Orientierung, wendet. Er möchte darauf aufmerksam machen, dass Homosexualität und Fußball keinen Widerspruch darstellen. Für die Offiziellen des BVB war dies zunächst nicht so einfach nachzuvollziehen. Natürlich wurde der Fanclub Rainbow Borussen auf die im Internet veröffentlichte Liste der über 500 Fanclubs aufgenommen. Den Untertitel „Schwul-lesbischer Fanclub“ schenkte man sich seitens der BVB-Webdesigner. Erst nach Intervention des Vereinsvorstandes der Rainbows erschien der vollständige Clubname.
Inzwischen ist man ein vom Ballspielverein Borussia 09 Dortmund anerkannter Fanclub. Demnächst gibt es sogar entsprechende, von höchster Stelle genehmigte Schals und Schlüsselanhänger mit BVB- und Rainbow-Logo zu erwerben. Ob diese dann im Stadion getragen werden? Stefan, Erster Vorsitzender der Rainbows ist skeptisch. Natürlich habe sich das Klima seit den Achtzigerjahren, als der berüchtigtste Fanclub, die Borussenfront mit ihrem Anführer SS-Siggi, im und vor dem Westfalenstadion ihr Unwesen trieb, verändert. Fanprojekte haben Wirkung gezeigt. Aber ein Coming-out auf der Südtribüne bleibt ein Wagnis. In einem Interview wurden Sebastian Kehl, Christoph Metzelder und Stefan Reuter gefragt, ob sie schwulen Teamkollegen empfehlen, offen zu ihrer Orientierung zu stehen. Nein, dies sei wohl noch undenkbar, antworteten die drei Profifußballer unisono. Warum also sollte ein Fan dann mutiger sein? Der Vorsitzende der Rainbow-Borussen möchte in der Presse nur mit Vornamen genannt werden.
Aber auch aus der Schwulen-Szene gibt es Vorbehalte. Fußball sei doch für Heteros, hören die Rainbows oft von Bekannten. In der Szene mache man, wenn überhaupt, nur Sport im Fitnessstudio. „Dabei“, so Gerd, „gehe es denen dann oft nur um Selbstdarstellung.“ Der 67-Jährige hat bei dem Fanclub endlich Männer getroffen, die auf seiner Wellenlänge sind. „In den Szenekneipen gibt es diese seltsamen Paradiesvögel. Die schüren mit ihrem Auftreten doch noch Vorurteile gegen Schwule.“ Hier im Fanclub seien die Männer wohltuend „normal“.
Ist ein Fußballspiel nicht auch ein erotischer Genuss? Sportsoziologe Günter Amendt behauptete dies des Öfteren. „Wenn da 11 Männer nach einem Tor übereinander liegen, das sieht schon putzig aus“, gibt Gerd zu. Arno, Musikstudent und BVB-Fan, sieht es differenzierter: „Beckham bedient auch eine schwule Klientel, genauso, wie er einen Marktwert für Frauen hat. Das weiß er und das setzt er bewusst ein. Ganz oben im Geschäft kann man sich das leisten.“ Versteckte homophile Neigungen beim eher homophoben Publikum mag Stefan nicht erkennen, auch wenn ein ganzes Stadion per Hymne fordert, dass eine süddeutsche Mannschaft zumindest teilweise entkleidet werden soll. „Nein, das ist nur im übertragenen Sinn zu verstehen.“
Und was bringt die Zukunft? Für die WM 2006 ist ein Bundestreffen von schwul-lesbischen Fanclubs in Dortmund geplant. Die Hertha Junxx werden kommen. Zu denen haben die Dortmunder, dies mag Heterofans verwundern, einen herzlichen Kontakt. Aber auch St. Pauli und Dresden verfügen über schwul-lesbische Fanclubs. In Stuttgart gründet sich gerade einer. Und selbst beim blauweißen Revierrivalen gibt es rosarote Pläne. Jeder zehnte Deutsche, so aktuelle Untersuchungen, ist homosexuell. Bei einem ausverkauften Westfalenstadion könnten in einigen Jahren also 8.000 Fans den Rainbow-Schal schwenken. Ein lukratives Geschäft für den Club und sicherlich ein sehr schöner Anblick. LUTZ DEBUS