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Archiv-Artikel

press-schlag Goldene Zukunft dank Klinsmann

Der Fußball-Bundestrainer hat endlich das Geheimnis dauerhaften sportlichen Erfolgs entdeckt: Alles nur eine Frage des richtigen Wohnorts

Erinnert sich noch jemand an diese tapfere, vom Schicksal geprügelte Stadt im tiefen Osten, die 1985 erfahren musste, dass sie von all den schönen Spielen der Fußball-Europameisterschaft 1988 kein einziges abbekommen würde? Hoch schlugen die Wellen der Empörung und tief furchten die Gräben der Trauer, weil der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger für den Fall einer EM-Teilnahme West-Berlins diplomatische Ost-West-Verwicklungen fürchtete.

Wie haben sich die Zeiten geändert! Bei der WM 2006 ist Berlin nicht nur strahlender Austragungsort des Endspiels, sondern nun auch Quartier des künftigen Weltmeisters. „Nie mehr Sportschule“, hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann verkündet, wobei natürlich keine Rolle spielt, dass die DFB-Mannschaft zuletzt 1974 in einer Sportschule residierte und seither bei allen großen Turnieren der Grundsatz galt: das luxuriöseste Hotel im ganzen Land kriegen immer die Deutschen. In einer Absteige werden sie auch 2006 nicht wohnen, dafür aber direkt am Puls der Metropole. Morgens ein bisschen Training, nachmittags Latte Macchiato im Café Einstein, abends Kino oder ein hübsches Rockkonzert, danach chillen in einem coolen Hauptstadt-Klub in Mitte. So etwa stellt sich Jürgen Klinsmann das vor – oder vielleicht auch nicht. Brasilianer, Briten und Italiener werden jedenfalls große Augen machen in ihren öden Quartieren an irgendwelchen langweiligen Seen.

Doch nicht nur das! Klinsmann hat gezeigt, wo die Zukunft des deutschen Sports liegt: Berlin, Berlin und nochmals Berlin. Keine Frage, wo die deutschen Leichtathleten ihre „Mission Gold“ für die WM 2009 vorbereiten, die heute ja ganz bestimmt wohin vergeben wird? Richtig: Die Stadt mit dem großen Beee! Wo du siegen willst, dort sollst du hausen! Schluss mit der leidigen Diskussion um die Förderung des Spitzensports. Sämtliche Olympiastützpunkte werden einfach nach Berlin verlegt, schon ist die Sache geritzt. Faule Ausreden, dass zum Beispiel die Bedingungen für Wintersportler an der Spree nicht ideal seien, gelten nicht. In Kienbaum haben sie früher schließlich noch ganz andere Sachen hingekriegt.

Apropos Kienbaum: Das alte Leistungszentrum der DDR wird eingemeindet und zur „Spitzensport-Akademie Berlin“ nach Pekinger Vorbild umgebaut. In einem gigantischen Sportlerwohnheim, das natürlich mindestens von Daniel Libeskind entworfen wird, wohnen die deutsche Top-Athleten alle gemeinsam und profitieren ungeheuer voneinander – ganz nach dem Klinsmann’schen Modell vom Brasilien-Spiel, als erfolgreiche Olympiasportler die Fußballer heimsuchten und mit deren eigener Erfolglosigkeit konfrontierten. Amerikanische Experten aus Arizona beaufsichtigen die Frühgymnastik, Psychologen fahnden rund um die Uhr nach Leistungsblockaden und Burnout-Syndromen, das Unterhaltungsprogramm liefert André Heller.

Vorbei ist es natürlich mit der freien Wohnungswahl für Topsportler. Schumi kann die Schweiz vergessen, Franzi wird samt Kretzsche aus Magdeburg zurückbeordert und beide holen 2008 in Peking endlich Gold. Nowitzki wirft nur noch Körbe für Alba Berlin und der FC Bayern wird FC Preußen. Ein entsprechendes Zuzugsgesetz soll Otto Schily längst in der Schublade haben. MATTI LIESKE