press-schlag : Die Leuchttürme reifen Mannestums haben ausgedient
Wie alle Volksgruppen leiden natürlich auch die Schiedsrichter der Moderne unter Morbus Raffzahn. Wer hätte anderes erwartet?
Der Spieltag nach Hoyzer ist vorbei. Es ist alles gut gegangen. Warum auch nicht? Was haben wir erwartet? Geifernde Fußballbegeisterte, die sich die Männer in Grün, Gelb oder Schwarz vom Platz holen und unter Zuhilfenahme derer eigener Fähnchen versohlen? Selbstjustiz? Mit schalem Bier überschütten? Gottchen, wie süß! Glauben wir doch selbst nicht! Wen interessiert denn das im Innersten? Erstens sind es für heutige Verhältnisse alberne Dimensionen, um die es geht, und zweitens will kein Mensch, dass eine solch läppische Geschichte die Vorfreude auf die WM trübt. Da seien Franz B. und seine Spießgesellen vor.
Also: Klappe zu! Seien wir doch mal ehrlich: Wer hätte im Ernst was anderes erwartet? Aus welchem Grunde sollen ausgerechnet die pfeifenden Sportskameraden über eine höherwertige moralische Ausstattung verfügen? Natürlich leidet die Spezies der Schiedsrichter wie alle anderen Volksgruppen unter Morbus Raffzahn: Wenn es was zu erben gibt – her damit. Das war schon immer so, nur war das Geschäft in früheren Zeiten weniger lukrativ, und eventuell waren die „hohen Werte“ noch etwas mehr in Mode. Ideal repräsentiert von Menschen der Marke Rudolf Kreitlein. Das waren Männer mit der Ausstrahlung pensionierter Berufsschullehrer, deren Platte beruhigend über den Platz leuchtete. Leuchttürme reifen Mannestums. Keine Modebengel wie Herr Hoyzer! Meine Güte, der ist mit hochgegelten Haaren zum Sport erschienen, was will man da erwarten? Der Mann ist 25 und will nichts als Fun, Fun, Fun. Da reichen die dreieinhalbtausend Kröten für jeden Erstligaeinsatz hinten und vorne nicht. Was soll schon sein? Bisschen wetten, bisschen Auge zudrücken …? So leicht geht das?
So leicht geht das eben nicht. Wenn ein Schiri ein Fußballspiel in seinem Sinne beeinflussen will, dann muss er schon massiv eingreifen. So massiv, dass irgendwann sogar Theo Zwanziger die Ohren spitzt. Fußball ist nicht Boxen. Da kann einer schön umfallen, und die Sache ist erledigt. Der Pfeifenmann kann drei Mann vom Platz stellen, und wenn er Pech hat, endet das Spiel immer noch unentschieden. Wie soll er das seinen Kumpels erklären, die fünfzigtausend auf Sieg gesetzt haben? Und sich mit Fußball offenbar nicht die Bohne auskennen. Sonst wüssten sie, dass dieses Spiel einfach zu viele Variablen hat. Wer da bescheißen will, muss entweder sehr viele Beteiligte mit einbeziehen oder sehr geschickt sein.
Herr Hoyzer hat Ersteres wahrscheinlich getan und war Letzteres nicht. Darum hat er nun Ärger auf allen Ebenen. Wobei ihm – wenn wirkliche Profigauner mit drinstecken – das Ende seiner Schiedsrichterkarriere momentan die geringsten Sorgen bereiten dürfte.
ALBERT HEFELE