press-schlag : Söldner gibt es nicht nur auf dem Spielfeld
Was sollen Fußballfans machen, die in der falschen Ecke des Ruhrpotts geboren wurden? Oder in München? Oder unter verkehrten Farben?
Dieser Söldner. Schießt mal eben sein zwölftes Saisontor, so dass man ihn einfach bejubeln muss. Obwohl Ailton, wenn er mal was sagt, eigentlich immer ganz klarstellt, dass ihm sämtliche Vereine, inklusive des eigenen, am Popöchen vorbeigehen. Außer eventuell dem, für den er als Nächstes spielen wird.
Aber wieso müssen Fußballfans immer jammern. War doch alles ganz schick an diesem Spielsamstag, ich will mich wirklich nicht beschweren. Schalke hat gewonnen und schlägt nächstes Wochenende gut gelaunt die Bayern. Und der Karnevalsverein hat gleich so viele Tore geschossen, dass der Tipp auf dieses Ergebnis einen für Wochen saniert hätte. In meiner Fußballkneipe hatte aber niemand darauf getippt, wer rechnet schon mit 5:0? Bei gebeutelten Mainzern, deren Nerven in den letzten Spielen ja nur noch dünne, ausgeblichene Luftschlangen waren?
Ich selbst tippe nie, ich finde es unmoralisch, nur wegen des Gewinns für eine Mannschaft zu sein. Andererseits sind Lokalpatriotismus und Sozialisation auch keine so tollen Gründe. Was sollen die Menschen machen, wenn sie nun mal aus München oder der falschen Ecke des Ruhrpotts kommen? Dort werden schließlich ebenfalls Jungs geboren. Vor ein paar Jahren habe ich mal einen Mann kennen gelernt, dessen Wiege in Dortmund stand, und der auf meine unausgesprochen skeptische Fantum-Vermutung irritierenderweise gleich mit „Ich muss dir aber was sagen: Ich bin Bayern-Fan!“ herausplatzte. Diese ahnungslose Ehrlichkeit fand ich fast schon wieder nett.
Fast. Zurück zu dem Karnevalsverein, dessen erstes Tor am Samstag das Schönste war, so etwas nennt man wohl „Sonntagsschuss“, egal, wann es geschossen wurde. Fabian Gerber hat getroffen, und der ist ja ohnehin nicht der Unsympathischste bei den Rheinhessen, denn er hat lange bei St. Pauli gespielt. Allerdings, und das ist insofern interessant, als dass es wieder in dem Eimer mit dem Lokalpatriotismus rührt, ist Gerber gebürtiger Münchner, und jetzt fragt man sich zu Recht: Wieso sollte ein Söldner wie Ailton auch irgendeine Art von echter Sympathie für einen Verein empfinden, mit dem er nichts zu tun hat? Nur dass er sein Desinteresse deutlicher zeigt als zum Beispiel Fabian Gerber, der wahrscheinlich in Wahrheit auch überhaupt kein Verhältnis zur rheinhessischen Fassenacht, zum Riesling, zur Scheurebe oder zum ZDF hat.
Patriotisch sind immer nur die Fans. Darum macht es mir auch nix aus, zuzugeben, dass ich ebenfalls nur Söldnerin bin, als Schalkefan eingekauft durch Freundschaft zu anderen Schalkefans. Abgesehen davon spielt der Verein, für denen ich qua Herkunft sein müsste, erstens in einer anderen Liga und hat zweitens beschissene Farben. Ich sage nur Lila. JENNI ZYLKA