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Archiv-Artikel

press-schlag Nichts geht über Mutti

Eigentlich sind sich Zinedine Zidane und Marco Materazzi einig: Die große Gebärerin hat auf dem Fußballplatz nichts zu suchen

Erst zuppelt der eine am Hemdchen, dann tauschen die beiden ein paar Nettigkeiten aus und zum Schluss schickt Zinedine Zidane Marco Materazzi auf die Matratze. Mit einem Kopfstoß, der wenigstens technisch so elegant ist, wie wir das von dem französischen Ass erwarten durften. Kurz: Die Fernsehbilder zeigten uns zwei Männer, die aufs übelste aneinander gerieten.

So kann man sich täuschen. In Wirklichkeit verstehen sich die Hitzköpfe prächtig. Das fängt schon dabei an, wie die beiden im Duett Licht ins Dunkel bringen. Am Mittwochabend stand Materazzi der italienischen Sportzeitung Gazzetta dello Sport Rede und Antwort, und nur wenige Stunden später gab Zidane seine Version auf dem französischen Sender Canal+ zum Besten. „Nichts, was mit Rassismus, Religion oder Politik zu tun hätte“, habe er abgelassen, sagt Materazzi – und Zidane gibt ihm Recht.

Gleich darauf aber laufen die Versionen auseinander. Zidane meint, Materazzi habe auf dem Platz Dinge gesagt, „die meine Mutter, meine Schwester berühren“. Und Materazzi? Unanständiges über Zidanes Mama? Nie im Leben! Er doch nicht! Er, der seine Mutter früh verloren hat …

Mama ist die Beste, und eventuelle Anspielungen auf ihre Ehrbarkeit rechtfertigen jede Entgleisung – insgeheim scheint Materazzi gerade mit seinem heftigen Dementi in diesem Punkt mit Zidane völlig einverstanden. So ist das unter mediterranen Männern, da müssen sie nicht viele Worte verlieren: Einfach heilig ist jene engelsgleiche Lichtgestalt, die sie an ihrem Busen großgezogen hat, die sie aber auch dann noch umhegt und betüttelt, wenn sie einsneunzig lange Kerls geworden sind.

Die Kehrseite: Zweideutige Äußerungen über den Lebenswandel der großen Gebärerin sind die größte anzunehmende Unflätigkeit, der sicherste Weg, Muttis Liebling aus der Fassung zu bringen. Darum ging es Materazzi, und er war dabei so erfolgreich, dass Zidane heute zwar Schuld empfindet, aber keinen Funken Reue.

Wie sollte er auch? Hat er sich doch bloß für die Ehre einer Frau ins Zeug gelegt, die ihrerseits ihren großen Kleinen verteidigt wie eine echte Löwin. Von Hausbesuchen bei Zidanes zwecks freundschaftlich-harmonischen Meinungsaustauschs zum Thema „Du darfst nicht über Mama lästern“ jedenfalls sollte Materazzi vorerst absehen. Da drohen nämlich nicht bloß Kopfstöße im Treppenhaus. Madame Zidane wünscht sich angeblich Materazzis Eier, serviert auf dem Tablett. MICHAEL BRAUN