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Archiv-Artikel

press-schlag Reines Glücksspiel

Heute entscheidet der Bundesgerichtshof im Fall Robert Hoyzer. Dann heißt es wohl endgültig: Rien ne va plus

Geht es nach dem Willen des Deutschen Fußball-Bundes, Robert Hoyzer müsste eine zehnjährige Festungshaft antreten bei Wasser und Brot. Dieser betrügerische Schiedsrichter gehört bestraft. Sagt der DFB. Viele sagen das. Die Mehrheit in Deutschland. Aber kommen Hoyzer und sein Anstifter Ante Sapina wirklich hinter Gitter, weil Volkes Stimme laut wird? Das ist die Frage, die der Bundesgerichtshof heute in Leipzig klären muss. Ein Freispruch könnte durchaus möglich sein, denn Bundesanwalt Hartmut Schneider hat bei der ersten Revisionsverhandlung in Leipzig Ende November zwar eine Gaunerei, aber keine strafrechtlich relevante Täuschung gesehen. Außerdem hat er dem Landgericht Berlin vorgeworfen, dem Volk zu sehr aufs Maul geschaut und zu oft in den Erzeugnissen der „Regenbogenpresse“ geblättert zu haben.

Auch der DFB dürfte damals implizit Einfluss auf das Berliner Urteil ausgeübt haben. Der Fußballbund wollte die Manipulation vor der Fußball-WM schnell erledigt wissen und die dreisten Buben, wie die Staatsanwaltschaft Sapina und Hoyzer seinerzeit genannt hatte, hinter Schloss und Riegel bringen. Im Sinne des DFB wurden Haftstrafen im Eilverfahren ausgesprochen, jeweils über zwei Jahre für Sapina und Hoyzer. Schließt sich das Gericht um Clemens Basdorf der Ansicht von Bundesanwalt Schneider an, dann dürfte der DFB die Welt Justitias nicht mehr verstehen. Theo Zwanziger erhielte einen „Schlag ins Gesicht“, käme Spielmanipulator Hoyzer ungeschoren davon. „Ein Freispruch wäre beschämend. Damit würden die Jugendlichen in die Orientierungslosigkeit geführt“, glaubt der DFB-Chef.

Es gibt sicherlich ein paar Büros, die Wetten auf das BGH-Urteil annehmen. Bundesanwalt Schneider ist nicht unter den Wagemutigen, denn er sagt: „Auf den Ausgang möchte ich nicht wetten.“ Der SPD-Politiker und Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert, prophezeit derweil: „Ich wette, dass Hoyzer nicht mit einem Freispruch davonkommt.“ Da der Bundesgerichtshof aber weder Saalwetten annimmt noch populäre Strömungen im deutschen Großraum beachtet, geht es bei den hohen Rechtsprechern allein um Paragrafen und deren Aussagekraft.

Haben Sapina und Hoyzer also betrogen? Der gesunde Menschenverstand sagt: Ja, natürlich. Sapina hat ja bei der Abgabe seiner Wetten gewusst, dass seine gedungenen Schiedsrichter, Hoyzer und Dominik Marks, in seinem Sinne pfeifen. Dadurch veränderte sich die Quote des Spiels, Sapinas Gewinnchancen stiegen. Ohne Hoyzer hätte Paderborn das DFB-Pokalspiel gegen den HSV wohl kaum gewonnen. Nun hat Sapina im Wettbüro den Mund gehalten, als er seine Scheine abgab. Er hat nicht gesagt: „Ich wette hier und heute auf ein Spiel, das meine Leute durch Falschpfeiferei manipulieren wollen.“ Der Mann im Wettbüro hätte Sapina wohl auch nicht für voll genommen. Nehmen wir an, er hätte Sapinas Worten Glauben geschenkt, dann hätte er die Wettscheine nicht annehmen dürfen oder er hätte die Wettquote schleunigst ändern müssen. Eine Selbstauskunft über manipulierte bzw. saubere Wetten wurde von Sapina aber nicht verlangt; auch in den Geschäftsbedingungen von Oddset stand nichts davon. Ist Sapina zu bestrafen, weil er den Mund nicht aufgemacht hat? Wie hat er wissen können, dass die Manipulation wirklich gelingt und seine Wettchancen tatsächlich steigen? Und schließlich: Wem hat Sapina mit seinen möglicherweise manipulierten Wetten geschadet? Oddset? Wohl kaum. Der staatliche Anbieter von Sportwetten dürfte durch einen Sieg Paderborns weniger Geld an die Wettspieler ausgeschüttet haben als durch einen Sieg des Favoriten. Wer wurde außerdem geschädigt? Die HSV-Wetter, der DFB? Schwer zu sagen. Dennoch steht fest: Sapina hat sich bereichert, weil er das Wesen der Wette untergraben hat. Ist das strafbar?

Schneider sagt: Nein, mitnichten. Anders das Landgericht Berlin, das einen Betrug darin gesehen hatte, dass Sapina bei der Abgabe der Scheine unausgesprochen mitgeteilt habe, er habe seine Spiele nicht manipuliert. Durch diese Täuschung habe er sich einen Vermögensvorteil verschafft. Für Schneider ist das „reine Fiktion“. Hier liege keine Täuschung vor, denn niemand erwarte eine solche Erklärung. „Hätte Sapina am Wettschalter ausdrücklich betont, dass alle Spiele sauber seien, hätte man wohl gedacht, er sei besoffen, und ihn wieder nach Hause geschickt“, so Schneider.

Das heutige Urteil wird mit einiger Spannung erwartet. Nicht nur im Deutschen Fußball-Bund.

MARKUS VÖLKER