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Archiv-Artikel

press-schlag Plünderung der Portokasse

Der FC Bayern verfolgt mit der Verpflichtung Schlaudraffs einen ausgeklügelten Masterplan. Die Vernachlässigung des Kerngeschäfts zeitigt erste Erfolge

Im Münchner Blätterwald ist während der Woche tüchtig geholzt worden. Allerlei Zeilen, ungefähr 4.375, wurden geschrieben über den Mann, der dem FC Bayern als Verstärkung endlich jene Wucht im Angriff angedeihen lassen soll, die es braucht, um die Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Wer Umfang und Emphase addierte, der gewann rasch den Eindruck, dass ab Sommer jener Wundermann in München sein Quartier bezieht, für den Rummenigges Karl-Heinz notfalls das Festgeldkonto plündern wollte. 30 Millionen für einen einzigen Spieler. Da geht doch was.

Die schlechte Nachricht für die Heimkehrer aus dem Winterurlaub: Ronaldinho spielt noch immer in Barcelona, Drogba bei Chelsea und Kaka in Mailand, von wo anscheinend auch Schwalben-Beppo nicht wegzulocken war. Die gute Nachricht für die Freunde solider Finanzpolitik: Der Neue ist preiswert erstanden worden. Die Rechnung lautet 30 minus 29, ergibt 1 Million Ablöse plus 2 Mille Gehalt jährlich, eine „Win-win-Situation“ (FAZ), was nichts weiter heißt als: Aachens Jan Schlaudraff wird reich und die Bayern werden nicht arm. Gratulation also nach München.

Überhaupt verdient das Münchner Finanzgebaren, das im Wesentlichen aus einer Plünderung der Portokasse besteht, in Zeiten des Prassens allerlei Respekt. Das Festgeldkonto rentierte in den letzten Jahren mäßig. Doch Beckenbauers mutmaßliche Intervention bei der EZB ließ den Diskontsatz tüchtig steigen. Bei aktueller Verzinsung sind jetzt pro Jahr mindestens fünf Schlaudraffs drin, eher sechs inklusive Handgeld. Der Münchner Cash-Flow ist sowieso Weltklasse, erst recht jetzt, wo die Kollegen aus Barcelona noch immer von Rentabilität träumen. Da hilft auch kein Ronaldinho, im Gegenteil, so ein Nimmersatt macht das alles nur noch schlimmer.

Die Bayern: Nie waren sie besser als heute, wirtschaftlich. Die relative Vernachlässigung des Kerngeschäfts hat sich als richtig erwiesen, demnächst, so ist zu hören, werden sie auch noch ganz big in Japan sein. Manche haben noch nicht erkannt, dass dahinter ein Plan steht. Selbst die Münchner Fußball-Gelehrten sind sich noch uneins und fragen stattdessen bang, ob sich Schlaudraff, der Neue, durchsetzen kann gegen Makaay, Pizarro, Podolski, Santa Cruz. Und es wird mal wieder hochgerechnet, wie viele national gut beleumundete Durchschnittsspieler sich der FC Bayern in den letzten Jahren geleistet hat. Aber solche Haarspaltereien um „Peanuts“ (Hilmar Kopper) sind für Männer wie Rummenigge Zeitverschwendung. Die Perspektiven sind nämlich glänzend: Nachdem Schlaudraff sich an der Seite Podolskis zum neuen Hoeneß aufgeschwungen hat und Hargreaves für ungefähr zweihundertdreißig Millionen zu Manchester gewechselt ist, wird Rummenigge zum ganz großen Schlag ausholen: Er kauft dem Russen Chelsea ab. Denn der Bayern-Chef hat längst erkannt: Die Zukunft liegt auf der Insel. STEFAN OSTERHAUS