press-schlag: Meisterschaft des kleinen Mannes
Fünf Meisterschaften, zwei Uefa-Cup-Siege – Mönchengladbach wäre mal wieder ein sehr illustres Mitglied der Unterklasse
Die Berichte zur Lage der Nation sind alarmierend wie selten. Dem Establishment geht es gar nicht gut. Land unter in Hamburg. Chaos in Mönchengladbach. Auch die Underdogs ziehen mit: Sorgen in Bochum, noch keine Entwarnung in Cottbus. Der Abstiegskampf ist das Titelrennen des kleinen Mannes und als solcher mindestens so faszinierend wie die Meisterschaft.
Besonders heiß ging es in Cottbus her, wo Borussia Mönchengladbach mal wieder nicht gewinnen konnte und sich zum Anwärter Nummer eins auf die Rutschpartie in Liga zwei aufgeschwungen hat – während in Cottbus einstweilen eitel Sonnenschein herrscht und die Hoffnung, vielleicht noch eine Spielzeit lang in der Bundesliga überwintern zu dürfen. Gladbach, das ist der tragische Fall unter all den Anwärtern auf einen Rutsch nach unten. Hier ergibt ein großer Mix die große Krise, vor allem die mangelhafte Klubpolitik der letzten Jahre in Kombination mit allerlei Verletzungspech und der einen oder anderen nicht ganz nachvollziehbaren Entscheidung von Jupp Heynckes.
Jetzt wird ihm von allen Seiten die Kündigung seinerseits nahe gelegt. Sicher ein probates Mittel, um sich einigermaßen schadlos zu halten und Pfiffe und Diskussionen zu vermeiden, ganz sicher aber eine Garantie dafür, sich einen besonders unrühmlichen Platz in der Klubgeschichte zu sichern. Heynckes hat einfach den Bogen zeitlich ein wenig überspannt. Als Hans Meyer in Gladbach seinerzeit mit dem Latein am Ende war und den Staffelstab an Ewald Lienen übergab, war es noch früh genug, um zu korrigieren. Jetzt würde es eine ziemlich heikle Angelegenheit werden, noch schnell einen Nachfolger zu rekrutieren. Immer wieder war in Gladbach vom langfristigen Aufbau die Rede. Er mündete fast immer im kurzfristigen Chaos.
Vermutlich würden sie einen weiteren Abstieg gar nicht mehr verdauen können. Und für die Regeneration Jahre brauchen. Schließlich sind den Mönchengladbachern die Schrecken der zweiten Liga bestens vertraut. Aber immerhin wären sie dann wohl neben Köln der Zweitligist mit den tollsten VIP-Logen – und hätten dem Kontrahenten aus alten Zeiten, als im Rheinland noch richtiger Fußball gespielt wurde, immerhin eines voraus: fünf Meistertitel, zwei Uefa-Pokal-Siege – nie gab es in der Unterklasse derart illustre Gesellschaft zu bestaunen. Es sei denn, der HSV macht gleich mit und begräbt endlich den Mythos von der ständigen Erstklassigkeit und lässt die Konkurrenten bei Heimspielen Europacup der Landesmeister schnuppern. Bei Juve, dem alten Gegner von damals, können sie ja nachfragen, wie es einem Weltklub in der zweiten Liga so ergeht. STEFAN OSTERHAUS
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